Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition)
quollen ihm aus dem Kopf, als auch das Atmen schwerfiel. Noch einmal stieß ich zu, und diesmal trat die Spitze hinten im Nacken wieder hervor. Da erschlaffte der Junge. Mit brechendem Blick sank er zur Seite und bewegte sich nicht mehr.
Mir klopfte das Herz wie rasend, während ich das Schwert herauszog und am Gras abwischte.
»Scheiße, Mann. War das nötig?«, fragte Thore.
»Der hätte uns einen ganzen Trupp auf den Hals gehetzt«, entgegnete Reynard. »Lasst uns den Kerl lieber verstecken, statt Maulaffen feilzuhalten.«
Er begann, den Leichnam in ein Gestrüpp zu zerren. Thore bückte sich und half ihm dabei. Ich war von meiner Tat ganz benommen und starrte auf die nackten Füße des Jungen, die noch aus den Büschen ragten. Mit einem Mal würgte mich die Galle im Hals, und ich war nahe dran, mich zu übergeben. Da spürte ich, wie Fulko mir die Hand auf die Schulter legte.
»Es war besser so«, sagte er. »Mach dir keine Gedanken.«
Er faltete die Hände und sprach ein Gebet für die Seele des armen Burschen.
Noch bis zum nächsten Tag mussten wir ausharren, bis endlich Lando wieder auftauchte. Diesmal hatten wir auf Feuer verzichtet und nur in leisen Stimmen miteinander geredet, vor allem die Augen offen gehalten. In der Nacht konnte ich nicht schlafen, musste immer wieder an den Jungen denken. Und an eine Mutter, die vergeblich auf ihn warten würde.
Kaum hatte Lando uns gefunden, überfielen wir ihn mit Fragen. Die Zeltstadt des Feindes hatte er betreten und sich gründlich umgesehen.
»Die Alemannen sind etwa siebenhundert, vielleicht etwas mehr.«
»Woher weißt du das? Hast du sie gezählt?«
»Ihre Zelte hab ich gezählt. Knapp über hundert. Große Zelte. Und in jedem übernachten etwa acht Mann.«
»Und was sind das für Kerle?«
»Die Lombarden halten große Stücke auf sie. Sie sind aus einer Gegend, die man Schwaben nennt, gepanzerte Fußkämpfer mit Schilden und mächtigen Schwertern, die sie auf dem Rücken tragen. Es heißt, sie können damit jedem Gaul die Beine brechen. Angeblich hat man sie noch nie besiegen können.«
»Dann haben sie noch nicht gegen Normannen gekämpft«, erwiderte Reynard großspurig. Aber es klang, als wollte er sich selber Mut machen.
»Hast du den Papst gesehen?«, fragte Fulko.
Lando nickte. »Er hielt eine Messe für alle Gläubigen ab und bat Gott um Hilfe, die Normannenplage endlich aus dem Land zu fegen. Ich habe mich mit ein paar Geistlichen aus seinem Gefolge angefreundet und dadurch viel in Erfahrung bringen können.«
»Und Pandulf?«
»Auch der ist mit seinen Kriegern gekommen. Dazu andere aus Benevento. Monte Cassino hat Söldner geschickt, ebenso der Herzog von Gaeta, sogar der Erzbischof von Amalfi. Und der Papst selbst hat Truppen aus Rom mitgebracht. Alles in allem schätze ich das Heer auf etwa viertausend Mann. Und es sollen noch mehr werden, denn bevor sie uns angreifen, wollen sie in das nördliche Apulien ziehen.«
»Warum das?«
»Die Gegend um Benevento ist schon kahlgefressen. Ist schließlich ein großes Heer. Bei Siponto am Meer wollen sie weitere Krieger aus Apulien sammeln und sich schließlich mit den Byzantinern vereinen.«
Ich erinnerte mich an Civitate, dem kleinen Ort, wo wir den Bischof ausgeplündert hatten. Das war nicht weit von Siponto. Viel Landwirtschaft zwischen beiden Orten. Besser geeignet, um ein großes Heer zu versorgen.
»Es ist also wahr«, stellte Fulko fest. »Rom und Byzanz machen gemeinsame Sache.«
»So ist es. Im Lager gehen byzantinische Offiziere ein und aus. Sogar der Patriarch von Bari wurde von Papst Leo mit großer Feierlichkeit empfangen.«
»Dann wird es Zeit, dass wir heimkehren und alles berichten.«
Auf Fulkos Befehl sattelten wir die Pferde und verwischten so gut wie möglich unsere Spuren. Dann suchten wir uns vorsichtig den Weg durch den dichten Wald. Man kam nur langsam voran, aber die Wahrscheinlichkeit, gesehen zu werden, war geringer.
»Warum hat es mit der Belagerung von Argentano eigentlich so lange gedauert?«, fragte ich Lando, als wir kurz an einem Bächlein rasteten.
»Du hast die Stadt gesehen. Hoch auf dem Berg und gut befestigt. Da spaziert man nicht so einfach hinein.«
»Auch nicht mit Girards zweihundert Mann?«
Er schüttelte den Kopf. »Hätte zu viele Verluste gegeben. Das wollte Robert vermeiden. Wir beschränkten uns darauf, alle Zugänge zu versperren.«
»Ihr habt sie ausgehungert?«
Er lächelte listig. »Es gibt auch andere Möglichkeiten, eine
Weitere Kostenlose Bücher