Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition)
hineinstemmen konnte. Dann nahm er mir den Wurfhaken aus der Hand. Sorgfältig rollte er das Seil in der linken Hand zusammen. Wir lauschten angestrengt. Nichts zu hören. Keine Schritte eines Wachmanns. Alles schien zu schlafen.
Rainulf schwang den Haken und warf ihn mit Schwung nach oben. Aber zu kurz. Mit metallischem Klirren prallte er auf dem Weg nach unten vom Fels ab und fiel ins Gebüsch. Wie erstarrt standen wir da. Aber da oben schien es niemand gehört zu haben. Und ich war froh, dass es Rainulf passiert war und nicht mir.
Der zweite Wurf gelang, der Haken saß fest, und er reichte mir das Seil. Wir hatten in kurzen Abständen Knoten hineingebunden, um den Aufstieg zu erleichtern. Trotzdem war es eine elende Schinderei, besonders mit Schwert, Helm und Rüstung. Meine Füße rutschten einige Male ab, aber langsam kämpfte ich mich nach oben, schwang einen Arm über die Mauerkrone und sah mich um. Niemand zu sehen. Ich hakte einen Fuß über, machte eine letzte Anstrengung und saß heftig atmend auf der Mauer.
Unter mir ein Hof, fast wie in einer Burg, mit niedrigen Gebäuden. Das mussten die Behausungen der Mönche sein. Auch einen Backofen konnte ich erkennen. Rechter Hand lag die Pforte, die ins Dorf führte. Sie schien offen zu stehen. Gegenüber war die Kirche, daneben der Kampanile. Und unter uns, wie an die Mauer geklebt, das Dach eines langen Schuppens. Zu meiner Erleichterung war immer noch niemand zu sehen. Ein Hund bellte im Dorf, verstummte aber bald wieder. Ich machte meinen Gefährten ein Zeichen, dass die Luft rein war.
Als Nächster kam Thore mit dem Bogen über der Schulter. Dank seiner kräftigen Arme schien es ihm leichter zu fallen als mir. Auch Ivain schaffte es. Auf der Innenseite der Mauer verlief ein breiter Vorsprung, ähnlich einem Wehrgang. Dort schlichen wir entlang, denn irgendwo musste sich eine Treppe befinden. Plötzlich trat ich mit dem linken Fuß ins Leere, konnte mich nicht halten und stürzte mit schmerzhaftem Aufprall auf das Dach des Schuppens. Ich versuchte, mich noch festzukrallen, riss aber nur Dachziegel aus ihrer morschen Verankerung. Mit lautem Getöse landete ich unten im Hof auf einer Regentonne, die prompt umkippte und ihren Inhalt über mich ergoss.
Durchnässt und umgeben von zerbrochenen Dachpfannen, lag ich einen Augenblick still, mehr aus Schreck als vor Schmerzen. Mein Herz hämmerte wie wild. Dann rappelte ich mich hoch. Zum Glück schien nichts gebrochen zu sein. Ich humpelte ein paar Schritte in den Hof und winkte meinen Gefährten zu. Thore schien über meine Ungeschicklichkeit vor Lachen schier zu platzen, obwohl er sich verzweifelt bemühte, keinen Laut von sich zu geben.
Da hörte ich ein Geräusch hinter mir, wirbelte herum und sah einen Schatten im Rahmen der Kirchentür. Ein schwaches Licht im Innern ließ eine Mönchsgestalt davor erkennen. Andere drängten nach und riefen, wer da sei. Was bei Odin, hatten die mitten in der Nacht in ihrer Kirche verloren? Erst später klärte man mich auf, dass die Mönche sogar in der Nacht aufstanden, um zu ihrem Gott zu beten.
Kaum hatte ich mein Schwert gezogen, als sie aufschrien und einer von ihnen auf den Kampanile zurannte. Natürlich. Die Glocke. Er wollte das Dorf und die Wachleute alarmieren.
Doch der Mann war noch keine fünf Schritte gelaufen, als Thores Pfeil ihn ereilte und mit einem Ächzen zusammenbrechen ließ. Während meine Gefährten den gleichen Weg wie ich von der Mauer nahmen und die Mönche in Schach hielten, rannte ich los, so schnell ich konnte, durch die Pforte ins nachtstille Dorf hinunter. Ein Hund kam um eine Ecke geschossen und schnappte nach meinen Beinen. Aber ein Schwertstreich ließ ihn winselnd liegen, dann war ich schon am Tor, das durch einen mächtigen Querbalken gesichert war. Ich wuchtete ihn aus der Halterung und stieß die Torflügel auf.
Da stand Robert, und seine Zähne blitzten im Mondschein, als er mich verwegen angrinste. »Gut gemacht, Gilbert«, zischte er und winkte die anderen durchs Tor.
Der Überfall hätte nicht müheloser gelingen können. Einer der Bewaffneten, die benommen aus der Wachstube torkelten, starb einen nutzlosen Tod, als er Widerstand leisten wollte. Die anderen ergaben sich. Wir verteilten uns und sicherten alle Ausgänge, den kleinen Dorfplatz und das Kloster.
Nach und nach kamen die Leute schlaftrunken und verängstigt aus ihren Hütten, während unsere Männer unter ihren Habseligkeiten nach Wertvollem stöberten. Das ganze
Weitere Kostenlose Bücher