Das sechste Herz
hatte die Stimme ihn für seine Eigeninitiative gelobt und ihm einige Aufgaben für den Rest des Tages gegeben. Mit der Zerteilung der Leiche sollte er noch warten. Der entkernte Körper könne bei der heutigen Session noch von Nutzen sein. Frank konnte sich nicht vorstellen, was man mit dem, was einstmals Lisa, die kleine Schlange, gewesen war, noch anstellen könnte, aber er hinterfragte den Sinn der Anweisung nicht. Es gab Dinge, die er nicht durchschaute, und wenn die Zeit gekommen war, würde man ihm schon sagen, was zu tun sei.
Mit einem entrückten Lächeln nahm er am Küchentisch Platz und schaute auf die Jalousien. Nicht mehr lange und er würde erfahren, welche Aufgabe ihm als Nächstes zugedacht war.
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Der »Schlachter« deponiert fünftes Herz!
Gestern Vormittag entdeckte der Inhaber der Firma HERZ-Werbeteam in der Wittenberger Straße vor der Tür seines Büros einen Thermobehälter, der exakt jenen vier vorhergehenden glich, die auf dem Gelände des VEB Metallwaren und im Kees’schen Park gefunden wurden ( Tagespresse berichtete).
Und auch dieses Gefäß barg wieder einen schauderhaften Inhalt: ein weiteres menschliches Herz! Anscheinend bevorzugt der Täter Fundorte, die symbolisch etwas mit Herzen zu tun haben. Noch immer gibt es laut Auskunft der ermittelnden Behörden keine Anhaltspunkte zur Person des Täters oder zu den Opfern. Auch fehlen bislang die sterblichen Überreste der fünf Getöteten, denn eins gilt als sicher: Die Herzen wurden nicht von bereits Toten entnommen, sondern dafür mussten fünf Menschen ihr Leben lassen! (siehe Hintergründe am Anfang des Buches)
Hier wurde das fünfte Herz gefunden!
Unter dem Artikel befand sich ein großformatiges Foto des Bürogebäudes in der Wittenberger Straße, an dessen oberem rechten Rand ein kleineres, etwas unscharfes Bild eines olivfarbenen Thermobehälters die Aufnahme überschnitt. Die Bildquelle war mit »Jo Selbig« angegeben. Natürlich hatte die Spurensicherung Jo nicht ins Gebäude gelassen, um Fotos vom Flur oder gar der Eingangstür, vor der der Thermobehälter gefunden worden war, zu schießen. Aber der Trick mit der Überblendung durch einen ähnlichen Behälter wirkte, als wäre es eine echte Aufnahme.
Hubert klickte sich zu Seite sieben durch und schnaufte. »Sterbliche Überreste«, »schauderhafter Inhalt« … Wer sprach denn so? Und ihre Überschriften klangen schon wie die eines Boulevardblattes. Tom tat alles für die Quote. Dazu all diese Ausrufezeichen. Ein Zeitungsartikel war doch kein Comic. Allmählich verkam die Tagespresse zu einem reißerischen Wurstblatt. Hubert hörte sich selbst seufzen und rief sich zur Räson. Was ging ihn die Entwicklung der Zeitung an. Er näherte sich der sechzig und würde nicht mehr ewig hier sein, und dann konnten sie ihm alle mal den Buckel runterrutschen. Wer hatte den Artikel eigentlich geschrieben? Unter dem Text stand » CD «. Die gute Christin also. Bei Lara Birkenfeld hätte es solch ein Geschwurbel nicht gegeben.
Zusätzliche Fotos illustrierten den Artikel auf Seite sieben. Drei davon waren Luftaufnahmen der Fundorte, zwei weitere zeigten das Palmenhaus im Kees’schen Park von Weitem und den Eingangsbereich des quaderförmigen Gebäudes mit einem dunklen Gegenstand davor, der mit viel Fantasie als Thermobehälter durchgehen konnte. Als Bildquelle war hier lediglich »Tagespresse« angegeben. Hubert grinste. Sehr geschickt von Tom. So konnte der Redaktionsleiter bei Nachfragen behaupten, die Fotos von einem Informanten erhalten zu haben, und Patricks »Besuch« am Fundort würde geheim bleiben. Die Metadaten, wie Kameratyp und Produktdetails, die man anderen Fotos zuordnen konnte, die mit dem gleichen Fotoapparat gemacht worden waren, konnte man in der Druckversion nicht sehen, hierfür brauchte man die Originaldateien. Und die würde Tom nicht herausrücken – Zeugenschutz.
Hinter Hubert klappte die Tür.
»Hallo miteinander!« Jos Gesicht war gerötet. »Ist das wieder eine Kälte! Nichts mit Weihnachtstauwetter dieses Jahr!« Er kam näher und klopfte Hubert zur Begrüßung auf den Rücken. »Wo sind sie denn alle?«
»Keine Ahnung. Zumindest Patrick und Gert müssten da sein. Ich schau mal in die Abwesenheitsliste.«
»Möchtest du auch einen Kaffee?« Jo wartete nicht auf Antwort, sondern war schon in der Küche verschwunden, wo Hubert ihn herumhantieren hörte.
»Heute Nachmittag ist eine Pressekonferenz zu den Herzfunden von Kripo und Staatsanwaltschaft
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