Das Sigma-Protokoll
umbringt, weil ich mit ihm sprechen muss.«
»Sie lügen!«, schrie einer der Männer. Dann hörte Ben einen dumpfen Schlag und einen Schrei Annas.
»Es gibt Beweise dafür, dass ich die Wahrheit sage.« Annas Stimme klang nicht mehr so sicher wie vorher. »Wir müssen Strasser unbedingt warnen. Wenn Sie uns töten, dann schaden Sie ihm.«
»Anna!«, stöhnte Ben. »Ist alles okay? Sag mir, dass du okay bist.«
Seine Kehle fühlte sich an, als würde sie jeden Augenblick zerreißen. Ein unerträgliches Hämmern füllte seinen Kopf.
Dann antwortete eine gedämpfte Stimme: »Ich bin okay.«
Das war das Letzte, was Ben hörte.
37. KAPITEL
Buenos Aires
Ben wachte in einem fremden Bett auf, das in einem großen Zimmer mit hoher Decke und hohen Fenstern stand. Er hob den Kopf und sah hinaus auf eine ihm unbekannte Straße.
Großstadtlärm, blinkende Lichter in der Abenddämmerung.
Eine magere Frau - dunkelbraunes Haar, braune Augen, T-Shirt, schwarze Radfahrerhose - hing träge in einem Sessel und schaute ihn an.
Anna. In seinem Kopf hämmerte es.
»Hey«, sagte sie mit ernster Stimme.
»Hey«, sagte er. Langsam kamen die Bilder des nächtlichen Albtraums zurück. »Ich lebe. Kaum zu glauben.« Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er bewusstlos geworden war.
Sie lächelte. »Wie fühlen Sie sich?«
Er dachte kurz nach. »Wie der Typ, der vom Dach eines Wolkenkratzers fällt. Als im zehnten Stock einer den Kopf aus dem Fenster steckt und fragt, wie’s denn so geht, antwortet er: >Bis jetzt ganz gut.<«
Anna kicherte.
»Leichte Kopfschmerzen.« Er drehte den Kopf hin und her, und sofort schoss ihm ein brennender Schmerz von Schläfe zu Schläfe. »Vielleicht doch nicht so leicht.«
»Die haben Sie übel zusammengeschlagen. Soweit ich das beurteilen kann, haben Sie aber keine Gehirnerschütterung.« Sie hielt kurz inne. »Ich wurde nur ein bisschen rumgeschubst. Die hatten es hauptsächlich auf Sie abgesehen.«
»Wahre Gentlemen.« Er versuchte nachzudenken, war aber immer noch fast weggetreten. »Wie bin ich in diesem Zimmer gelandet?«
»Vielleicht hatten sie einfach keine Lust mehr, uns zu verprügeln. Oder sie hatten Schiss, weil Sie zusammengeklappt sind. Auf jeden Fall haben sie uns zurück in die Stadt geschafft und hier in La Boca aus dem Wagen geworfen.«
Die einzige Lichtquelle im Zimmer war die Nachttischlampe. Er spürte, dass er am Kopf und an der Hüfte verbunden war. »Wer hat das gemacht?«
»Was meinen Sie? Wer Sie verprügelt oder wer Sie verbunden hat?«
»Verbunden.«
»Moi«, sagte sie und verbeugte sich in gespielter Demut. »Mit freundlicher medizinischer Unterstützung des Hotel Sphinx. Die haben den Blutstillungsstift und das Jod beigesteuert.«
»Danke.« Er schloss kurz die Augen. »Wer waren diese Typen?«
»Ich tippe auf angeheuerte Schläger aus der Stadt. ›Pistoleiros‹ nennt man die hier«, sagte sie. »Ich glaube nicht, dass wir sonst überlebt hätten.«
»Was ist mit dem Streifenwagen?«.
»Argentinische Polizisten sind berüchtigt für ihre Bestechlichkeit. Die arbeiten nach Feierabend haufenweise als Pistoleiros. Ich glaube nicht, dass sie was mit Sigma oder einer dieser Schutztruppen für alte Nazis zu tun haben. Gibt viele Möglichkeiten, wie die auf uns gekommen sind. Der Interpol-Mann zum Beispiel: Ich hab ihm zwar einen falschen Namen genannt, aber vielleicht hat er irgendwo ein Foto von mir gesehen. Vielleicht hat es was mit dem gestohlenen Paket bei American Express zu tun. Oder mit Machado. Oder diesem Priester. Keine Ahnung.«
Er versuchte sich aufzusetzen, wurde aber von einem heftigen Stechen in der Hüfte sofort wieder in die Horizontale gezwungen. Jetzt erinnerte er sich daran, dass man ihn in den Magen, in die Nieren und zwischen die Beine getreten hatte.
Immer wieder nickte er kurz ein, oder das Zimmer verschwamm vor seinen Augen. Schließlich fiel er in einen tiefen Schlaf.
Als er wieder aufwachte, war es immer noch Nacht und fast dunkel im Zimmer. Im matten Licht der Straßenlaternen sah er eine Gestalt neben sich liegen. Ein schwacher Parfümduft hing in der Luft. Er lächelte. Na also.
Als er das nächste Mal aufwachte, war es heller Tag. Er hörte, dass im Bad Wasser lief, und setzte sich mühsam auf.
Eingehüllt in ein Badetuch und eine Dampfwolke, kam Anna aus dem Bad.
»Auch schon wach?«, sagte sie. »Und wie geht’s heute?«
»Bisschen besser.«
»Schön. Soll ich beim Zimmerservice Kaffee bestellen?«
»Ach, die
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