Das Sigma-Protokoll
haben sie ihn nach Bens Besuch sicher angerufen und gewarnt. Könnten Sie mir die Telefonnummer besorgen?«
»Gute Idee«, sagte er. »Die Nummer kann ich Ihnen besorgen. Dafür brauche ich nur die Telefonnummer der Witwe Lenz.«
Anna gab ihm einen Zettel mit der Nummer.
»Die argentinischen Telefongesellschaften speichern Beginn, Ende und Dauer jedes Gesprächs plus der angerufenen Nummer. Das System Excalibur. Über meine Freunde bei der Polizei kriege ich jeden von dieser Nummer hier getätigten Anruf. Für ein angemessenes Entgelt, versteht sich.«
Wie leicht ihr Problem zu lösen war, demonstrierte er in den nächsten Sekunden. Er zog sein Handy aus der Tasche, wählte, sprach kurz mit jemandem und gab die Telefonnummer durch.
»Dauert nicht lange«, sagte er. »Darf ich Sie inzwischen auf ein Steak einladen?«
Sie mussten ein paar Blocks gehen, bis sie zu seinem Wagen kamen - einem weißen Ford Escort, dessen Rückbank man ausgebaut hatte. Er fuhr mit ihr zu einem auf alt getrimmten Restaurant in der Nähe des Cementerio de la Recoleta. Das Lokal hieß Estilo Munich. An den Wänden hingen ausgestopfte Wildschwein- und Hirschköpfe. Der Boden war zwar aus Marmor, sah aber aus wie graues Linoleum. Die Decke war mit Schallschutzplatten verkleidet. Zwischen den Tischen schlichen gelangweilte Kellner herum.
»Ich werde Ihnen ein bife de chorizo bestellen«, sagte Machado. »Mit Chimichurri-Sauce. Wie wollen Sie das Fleisch?«
»Blutig, bitte. Hat es irgendwas zu bedeuten, dass Sie mich in ein Restaurant führen, das >München< heißt?«
»Nur, dass es eins der besten Steak-Lokale der Stadt ist. Hier versteht man was von Steaks.« Er warf ihr einen verschwörerischen Blick zu. »Früher gab’s in Buenos Aires jede Menge Lokale, in deren Namen das Wort >Munich< vorkam. War mal sehr in Mode. Heute nicht mehr so.«
»Sind halt nicht mehr so viele Deutsche da.«
Er trank einen Schluck Carrascal. Dann klingelte sein Handy. Er sprach kurz und steckte es wieder ein. »Mein Freund bei der Polizei. Leider noch keine Ergebnisse«, sagte er bedauernd.
»Wenn Strasser so lange unentdeckt hier leben konnte, dann muss er ziemlich gute Papiere haben.«
»Solche Leute kommen immer an exzellente Papiere. Für lange
Zeit war Jakob Sonnenfeld der Einzige, der diesen Leuten immer auf der Spur geblieben ist. Jahrelang ging das Gerücht, dass Martin Bormann noch lebt, hier in Argentinien. Aber dann hat man seinen Schädel in Deutschland gefunden. In Berlin, 1972. Beim Bau einer Brücke hat man den Schädel ausgebuddelt und als den von Bormann identifiziert.«
»Und, war er’s?«
»Endgültige Gewissheit brachte vor ein paar Jahren eine DNA-Analyse. Ja, es war Bormanns Schädel.«
»Und den Rest der Leiche?«
»Hat man nie gefunden. Ich glaube, dass man ihn hier in Bariloche beerdigt und seinen Schädel dann nach Deutschland geschafft hat, um die Verfolger in die Irre zu führen.«Seine Augen blitzten spitzbübisch. »Bormanns Sohn lebt noch hier. Er ist katholischer Priester. Ehrlich.« Er nahm wieder einen Schluck Carrascal. »Irgendwelche Gerüchte über Bormann waren immer im Umlauf. Genau wie über Josef Mengele. Jetzt ist er tot und beerdigt, und alle glauben, dass er seinen eigenen Tod inszeniert hat. Das Gleiche gilt für Lenz. Noch Jahre nach seinem offiziellen Tod gab es Gerüchte, dass er lebt. Bis sie die Knochen gefunden haben.«
»Hat man bei denen auch eine DNA-Analyse gemacht?«
»Glaub nicht.«
»Was ist mit seinem Schädel?«
»Nie aufgetaucht.«
»Halten Sie es für möglich, dass er noch lebt?«
Machado lachte. »Dann wäre er jetzt über hundertzwanzig Jahre alt.«
»Nur die Guten sterben jung, heißt es so schön. Er ist an einem Herzschlag gestorben, oder?«
»Das ist zumindest die offizielle Version. Ich glaube, dass israelische Agenten ihn umgebracht haben. Als Eichmann nach Argentinien kam, haben sich er und seine Frau neue Namen zugelegt. Die drei Söhne sind unbehelligt unter ihrem richtigen Namen in die Schule gegangen. Jeder hat sie gekannt. Aber keiner hat nachgeforscht. Sonnenfeld war der Erste.«
Die Steaks kamen. Fantastisch, dachte Anna, als sie den ersten Bissen im Mund hatte. Sie war zwar keine große Fleischesserin, aber das konnte einen wirklich bekehren.
»Darf ich fragen, warum Sie mit Strasser sprechen wollen?«
»Tut mir Leid, darüber kann ich keine Auskunft geben.«
Er schien die Abfuhr mit Anstand zu schlucken. »Strasser war einer der Erfinder von Zyklon
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