Das Sigma-Protokoll
B.«
»Das Gas, das man in Auschwitz benutzt hat.«
»Es war seine Idee, das Zeug bei Menschen einzusetzen. Ein cleverer Bursche, dieser Strasser. Er war dafür verantwortlich, dass man Juden wesentlich schneller ermorden konnte.«
Nach dem Essen gingen sie ein paar Häuser weiter in das riesige Café La Biela auf der Avenida Quintana. Es war nach elf, und so war es dort voll und laut.
Beim Kaffee fragte Anna: »Können Sie mir eine Pistole besorgen?«
Er schaute sie durchtrieben an. »Das lässt sich machen.«
»Bis morgen früh?«
»Ich tu, was ich kann.«
Sein Handy klingelte. Auf einer kleinen quadratischen Serviette notierte er ein paar Nummern und schaltete das Handy wieder aus.
»Sein Anschluss läuft unter dem Namen Albrecht«, sagte Machado. »Das Alter stimmt. Er hat auf den Anmeldeformularen sein richtiges Geburtsdatum angegeben. Schätze, Sie haben ihn.«
»Und er wurde aus dem Haus der Witwe Lenz angerufen?«
»Ja. Wenn man die Nummer hat, ist es kein Problem, Name und Adresse herauszufinden. Er scheint eine Zeit lang nicht in der Stadt gewesen zu sein. Fünf Wochen ist von dem Apparat kein Gespräch geführt worden. Erst vor zwei Tagen wieder.«
Das würde erklären, dachte Anna, warum man Strasser im Gegensatz zu den anderen noch nicht ermordet hatte. Er war nicht in der Stadt. Deshalb lebte er noch. »Ihr Freund bei der Polizei, was glaubt der, weshalb sie diese Information von ihm wollten?«, fragte sie.
»Der glaubt gar nichts. Ist ihm wahrscheinlich völlig egal. So lange er gut bezahlt wird.«
»Er würde Strasser nicht warnen?«
»Die Wahrscheinlichkeit liegt bei Null.«
»Hoffentlich.« Trotzdem waren ihre Bedenken nicht ausgeräumt.
»Was ist mit dieser Sorte Schlägertypen von letzter Nacht?«
Er runzelte die Stirn. »Die Söhne und Enkel der damals aus Deutschland Geflohenen lassen mich in Ruhe. Ich habe zu viele Freunde bei der Polizei. Ist denen zu gefährlich. Manchmal sind auf meinem Anrufbeantworter ein paar Takte Wagner. Eine kleine verschleierte Drohung. Oder ich werde auf der Straße so auffällig fotografiert, dass ich es gar nicht übersehen kann. Das ist alles, mehr passiert wohl nicht. Ich mach mir keine großen Sorgen deswegen.« Er zündete sich noch eine Zigarette an. »Und Sie sollten sich auch keine machen.«
Der hat leicht reden, dachte sie .
Washington, D.C.
»Mr. Bartlett ist im Augenblick sehr beschäftigt. Ich fürchte, auch in den nächsten Tagen wird sich kaum ein passender Termin finden«, sagte die Vorzimmerdame mit eisiger Bestimmtheit.
»Der passende Termin ist genau jetzt«, sagte Arliss Dupree. »Sagen Sie ihm, dass es auch für ihn wichtig ist. Es geht um eine Angelegenheit, die unsere beiden Zuständigkeitsbereiche betrifft.«
»Es tut mir sehr Leid, Mr. Dupree, aber...«
»Und ersparen Sie sich den Ärger, den Sie sicher kriegen werden, wenn ich einfach so an seine Tür klopfe. Sein Büro ist doch da hinten, oder? Also, wollen Sie ihn vorwarnen, oder soll ich gleich gehen?« Ein Grinsen breitete sich auf Duprees gerötetem Mondgesicht aus. »Tun Sie sich das nicht an.«
Die Sekretärin sprach schnell und leise in ihr Kopfmikro. Dann stand sie auf. »Darf ich bitten. Mr. Bartlett freut sich, Sie zu sehen.«
Dupree schaute sich in dem spartanischen Büro des Direktors um und spürte zum ersten Mal einen Anflug von Panik. Was er sah, entsprach nicht der gemütlichen Höhle des typischen Beamten auf Lebenszeit, der sich mit den Fotos seiner Lieben umgab und Aktenberge abarbeitete. Kaum etwas in dem Raum wies darauf hin, dass hier ein Mensch seiner Arbeit nachging.
»Wie kann ich Ihnen heute behilflich sein, Mr. Dupree?« Alan Bartlett stand hinter einem großen Schreibtisch, der so jungfräulich aussah, dass er auch im Showroom eines Möbelhauses hätte Aufsehen erregen können. Dieses höfliche Lächeln, dachte Dupree, hat den Charme eines Eisbrechers. Und das undurchdringliche Grau der Augen hinter den großen Brillengläsern erinnerte ihn an einen Gletscher.
»Da gibt’s mehrere Sachen«, sagte Dupree und setzte sich lässig auf den hellen Holzstuhl, der vor Bartletts Schreibtisch stand. »Zum Beispiel die Navarro-Geschichte.«
»Höchst unangenehm, die aktuellen Enthüllungen«, sagte Bartlett. »Wirft ein ziemlich ungünstiges Licht auf uns alle.«
»Wie Sie wissen, war ich mit dieser zeitweiligen Abordnung ganz und gar nicht einverstanden«, erklärte Dupree.
»Sie brachten das unmissverständlich zum Ausdruck, ich weiß.
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