Das Sigma-Protokoll
Möglicherweise, weil Sie über Informationen bezüglich Agent Navarro verfügten, die Sie auch uns hätten zukommen lassen sollen?«
»Ach was, so war das nicht.« Dupree musste sich dazu zwingen, Bartletts durchdringendem Blick standzuhalten. »Es ist einfach so, dass es meine Autorität untergräbt, wenn ein Mitglied meines Stabs abkommandiert wird, ohne dass ich davon erfahre, geschweige denn um Zustimmung gebeten werde. Ein paar aus der Truppe glauben immer, dass es sich dabei um eine Beförderung handelt.«
»Ich nehme doch an, Mr. Dupree, dass Sie sich mit mir nicht über Ihre Personalprobleme oder Ihren Führungsstil austauschen wollen.«
»Natürlich nicht, verdammt«, sagte Dupree. »Die Sache ist doch die: Die meisten von uns im Justizministerium machen um euch von der ICU einen weiten Bogen. Ihr macht euern Kram, und wir sind heilfroh, dass wir nichts davon mitkriegen. Doch diesmal hinterlässt die Scheiße auch auf meinem Teppich hässliche Flecken, verstehen Sie? Ich stehe unter Beobachtung. Nicht, dass ich irgendwem irgendwelche Vorwürfe machen wollte, aber zu denken gibt mir das Ganze schon.«
»Eine Tätigkeit, an die Sie sich zweifelsohne erst gewöhnen müssen. Sie werden sehen, dass sich mit der Übung auch der
Erfolg einstellt.« Aus Bartletts leicht hingeworfenen Worten sprach die ganze Geringschätzung des hohen Beamten.
»Ich bin vielleicht nicht der cleverste Hund unter der Sonne«, sagte Dupree. »Aber zubeißen kann ich noch.«
»Wie beruhigend.«
»Irgendwas an der Sache stinkt zum Himmel.«
Bartlett schnüffelte. »Aqua Velva? Oder vielleicht Old Spice? Auf jeden Fall ist Ihr Aftershave schneller als Sie!«
Dupree schüttelte den Kopf und spielte den arglosen Verwirrten. »Also hab ich ein bisschen rumgestochert. Hab da was aufgeschnappt und dort was rausgepickt. Zum Beispiel, dass Sie am Eastern Shore ein stattliches Anwesen besitzen. Nicht gerade die Art von Immobilie, die man bei einem Bundesbeamten erwarten würde, selbst bei einem gut bezahlten.«
»Mein Großvater mütterlicherseits war einer der Gründer von Holleran Industries. Meine Mutter war eine der Erben des Vermögens. Das ist kein Geheimnis. Andererseits gehört es zugegebenermaßen nicht zu meinen Eigenheiten, mit derlei Informationen hausieren zu gehen. Die Highsociety interessiert mich aber nur am Rande. Das Leben, für das ich mich entschieden habe, ist im Grunde ein sehr einfaches, mein Geschmack im Wesentlichen bescheidener. Aber worauf wollen Sie hinaus?«
»Richtig. Dass Ihre Mutter eine Holleran-Erbin ist, hatte ich auch rausgefunden. Hat mich ziemlich überrascht, muss ich sagen. Schmeichelt doch ungemein, wenn sich ein Multimillionär herablässt, mit Menschen wie meinesgleichen zusammenzuarbeiten.«
»Jeder muss für sein Leben Entscheidungen treffen.«
»Tja, da haben Sie wohl Recht. Und dann hab ich mich gefragt: Was gibt’s sonst noch auszugraben bei Alan Bartlett? Da muss doch noch was sein. Zum Beispiel immer wieder diese Flüge in die Schweiz. Na ja, vielleicht bin ich da auch nur deshalb hellhörig geworden, weil wir vom OSI uns oft mit Geldwäsche und damit natürlich auch mit der Schweiz beschäftigen müssen. Also hab ich mich gefragt: Was macht der da?«
Eine Sekunde Stille. »Ich verstehe nicht ganz.«
»Stimmt es etwa nicht, dass Sie dauernd in die Schweiz düsen?«
»Wie kommen Sie denn darauf?«
Dupree zog ein zerknittertes Blatt Papier aus der Brusttasche seines Jacketts. Er legte es auf Bartletts Schreibtisch und strich es glatt. Auf dem ansonsten leeren Blatt war ein aus vielen Punkten bestehender unregelmäßiger Kreis zu sehen. »Ein bisschen grob, ich weiß. Hab ich selbst gezeichnet.« Er zeigte auf den obersten Punkt. »Das hier ist München. Direkt darunter Innsbruck. Etwas südwestlich Mailand. Dann Turin. Nordwestlich davon Lyon. Noch weiter nördlich Dijon und schließlich wieder Richtung Osten Freiburg.«
»Und, was soll das? Halten Sie jetzt Kurse - Geografie für Fortgeschrittene?«
Dupree machte eine wegwerfende Handbewegung. »Hat mich ziemlich viel Zeit gekostet, bis ich das alles zusammen hatte. Musste mich durch jede Menge Computersysteme von Zollbehörden und Fluglinien wühlen. Scheißarbeit, können Sie mir glauben. Also, das sind die Flughäfen, die Sie in den letzten fünfzehn Jahren ständig benutzt haben. Immer vom Dulles Airport in Washington. Viele Direktflüge, aber auch einige mit Umsteigen in Frankfurt oder Paris. Ich schau mir also mein
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