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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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kann ...« Er schluchzte laut auf. »Ich habe es geweckt! Und jetzt habe ich es mir von Okros stehlen lassen! Und kann es nie wieder berühren ...!«
    Die Laute, die er von sich gab, beunruhigten Chert, aber zu seiner Erleichterung stand Opalia auf, ging zu dem weinenden Hofarzt, tätschelte ihm die Hand und streichelte ihm die Schulter, als ob er ein Kind wäre — und nicht doppelt so groß wie sie selbst. »Ganz ruhig. Alles wird gut. Ihr werdet sehen.«
    »Nein, wird es nicht. Nicht solange ... nicht solange ...« Wieder überkam ihn das Schluchzen, und er sagte eine ganze Weile nichts mehr. Für Chert war es eine Qual, die Schwäche dieses Mannes mit ansehen zu müssen.
    »Gibt es etwas ... möchtet Ihr ...? Vielleicht noch etwas Tee?«, fragte Opalia schließlich.
    »Nein. Nein, danke.« Chaven versuchte zu lächeln, hing aber so schlaff in seinem Stuhl wie eine Fahne an einem windstillen Tag. »Gegen Scham, wie ich sie empfinde, hilft gar nichts, nicht einmal Euer hervorragender Tee.«
    »Wieso Scham?« Opalia sah ihn mit zusammengezogenen Brauen an. »Euch wurde etwas gestohlen. Das ist doch nicht Eure Schuld!«
    »Ach, aber es bedeutet mir so viel —
das
ist meine Schuld. Es hat von mir Besitz ergriffen — Wurzeln in mir geschlagen wie eine Mistel auf einer Eiche. Nein, ich kann mich nie und nimmer mit einem so edlen Baum vergleichen wie der Eiche des Himmelsvaters Perin.« Er lachte bitter. »Egal. Ich habe es niemandem erzählt. Ich machte ihn zu meiner heimlichen Geliebten, diesen Spiegel mit dem, was er barg, und wenn ich zu ihm ging, brannte ich innerlich vor Scham und Lust. Ich habe mit niemandem darüber gesprochen, weil ich Angst hatte, ihn aufgeben zu müssen. Jetzt ist es zu spät. Er ist weg.«
    »Dann ist es aber doch gut für Euch«, sagte Chert. »Wenn es, wie Ihr sagt, eine Krankheit ist, könnt Ihr jetzt davon genesen.«
    »Ihr versteht es nicht!« Chaven sah ihn an, die Augen geweitet, das Gesicht bleich. »Selbst wenn ich seinen Verlust überlebe, bleibt er doch ein fürchterlich mächtiges Ding. Ihr glaubt doch wohl nicht, dass ihn Hendon Tolly und dieser verräterische Hund Okros ohne Grund gestohlen haben? Sie wollen seine Macht! Und was sie damit wollen, wissen nur die Götter. Ja, nur die Götter können uns noch helfen.« Er senkte den Kopf und legte die verbundenen Hände vor der Brust zusammen — er betete, ging Chert auf. »Allsehender Kupilas, berge mich in Deinen Händen aus Bronze und Elfenbein, errette mich vor meiner Torheit. Heiliger Trigon, großherzige Brüder, wacht über uns alle ...!« Seine Stimme war nur noch ein Murmeln.
    »Doktor ... Chaven«, sagte Opalia schließlich, »könnt Ihr ... könnt Ihr mit jedem Spiegel Dinge tun?«
    Chert starrte sie verdutzt an — was redete sie da —, aber Chaven regte sich und sah auf, hohläugig, aber jetzt etwas gefasster. »Verzeiht, Frau Meisterin. Was meint Ihr?«
    »Könnt Ihr unserem Flint helfen? Dass er den Verstand wiederfindet?«
    »Opalia, was soll dieser Unsinn?« Chert stand auf und fühlte sich bis ins Mark erschöpft. »Siehst du denn nicht, dass dieser Mann kurz vor dem Umfallen ist?«
    »Es stimmt, dass ich zu müde bin, um Euch jetzt noch von Nutzen zu sein«, sagte Chaven, »aber es stimmt auch, dass ich, nachdem ich Eure Gastfreundschaft in vielerlei Hinsicht missbraucht habe, durchaus bestimmte Dinge ... explorieren könnte. Aber wir haben doch keinen Spiegel.«
    »Wir haben meinen.« Opalia zeigte den kleinen Schminkspiegel vor, den sie die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte. Sie hatte ihn als Hochzeitsgeschenk von Cherts Schwestern bekommen und hielt ihn nun Chaven hin, so stolz und ängstlich wie ein kleines Kind. »Könnt Ihr ihn verwenden, um unserem Jungen zu helfen?«
    Er nahm ihn kurz in die Hand, gab ihn ihr zurück. »Jeder Spiegel hat für den Geschulten seine Verwendungsmöglichkeiten, Frau Meisterin. Ich werde morgen früh sehen, was ich machen kann.« Ein seltsames Leuchten war jetzt in seinen Augen. »Vielleicht kann ich sogar erfahren, was Okros treibt.« Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. »Aber jetzt bin ich so müde ...!«
    »Dann legt Euch hin«, sagte Opalia. »Schlaft. Morgen früh könnt Ihr ihm dann helfen.« Sie kicherte, was Chert genauso beunruhigte wie Chavens Heulerei. »Ihr könnt es versuchen, meine ich.«
    Der Hofarzt war schon zu seinem Lager in der Ecke des Wohnzimmers gewankt. Er ließ sich bäuchlings daraufsinken und schien in den Schlaf zu fallen wie ein

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