Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Tor Zur Hölle

Das Tor Zur Hölle

Titel: Das Tor Zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
Vom Netzwerk:
belohnt.
    Als sie gerade das vierte Segment mit Hilfe einer komplizierten Folge von Drehungen und Gegendrehungen aus seiner Position lockte, hörte sie die Glocke. Sie hielt inne und schaute auf.
    Irgend etwas war nicht in Ordnung. Entweder spielten ihr ihre übermüdeten Augen einen Streich, oder die schneesturmweißen Wände hatten sich kaum wahrnehmbar verändert. Sie legte den Würfel beiseite, stand auf und ging zum Fenster hinüber. Die Glocke schlug immer noch; ein feierliches Geläut. Sie zog den Vorhang ein paar Zentimeter zurück. Es war Nacht und windig. Blätter stoben über den Rasen des Krankenhauses; Motten sammelten sich im Licht der Straßenlaternen. So unwahrscheinlich es auch schien, das Geläut der Glocke kam nicht von draußen. Es war hinter ihr. Sie ließ den Vorhang zurückfallen und wandte sich wieder zum Zimmer um.
    Als sie das tat, flackerte die Glühbirne der Nachttischlampe wie eine Kerzenflamme. Instinktiv griff sie nach dem Würfel; er und diese seltsamen Geschehnisse waren irgendwie miteinander verwoben. Als ihre Hand ihn fand, ging das Licht aus.
    Sie stand jedoch nicht in völliger Finsternis, und ebensowenig war sie allein.
    Da gab es ein schwaches phosphoreszierendes Schimmern am Ende des Betts — und in seinen Tiefen eine Gestalt. Ihr Aussehen, ihr körperlicher Zustand überstieg jede Vorstellungskraft — die Haken, die Narben. Und doch war die Stimme, als sie schließlich sprach, nicht die einer leidenden Kreatur.
    »Man nennt es die Lemarchand Konfiguration«, sagte die Gestalt und deutete auf den Würfel. Sie schaute hinab; die Teile lagen nicht mehr in ihrer Hand, sondern schwebten einige Zentimeter über der Handfläche. Wie von Zauberhand setzte sich der Würfel wieder zusammen, schoben sich die Teile wieder ineinander, während das gesamte Gebilde sich beständig um die eigene Achse drehte. Während er das tat, erhaschte sie kurze Einblicke auf die polierten Innenseiten und vermeinte, Geistesgichter zu sehen — verzerrt wie von Trauer. Dann hatten sich mit Ausnahme von einem Teil wieder alle Segmente an ihren Platz gefügt, und der Besucher verlangte von neuem nach ihrer Aufmerksamkeit.
    »Der Würfel ist ein Hilfsmittel, um die Oberfläche des Realen aufzubrechen«, sagte das Wesen. »Eine Art Beschwörungsformel, mit deren Hilfe wir Zenobiten herbeigerufen werden können …«
    »Wer?« fragte sie.
    »Du hast es in Unwissenheit getan«, entgegnete der Besucher. »Habe ich recht?«
    »Ja.«
    »Das geschieht nicht das erste Mal«, kam die Antwort.
    »Doch es macht keinen Unterschied. Es gibt keinen Weg, das Schisma zu schließen, bis wir genommen haben, was unser ist …«
    »Das ist alles ein Mißverständnis …«
    »Versuch nicht, dagegen aufzubegehren. Es liegt gänzlich außerhalb deiner Kontrolle. Du wirst mich nun begleiten müssen.«
    Sie schüttelte den Kopf. Sie hatte genügend tyrannische Alpträume kennengelernt, so viele, daß es ihr bis an ihr Lebensende reichen würde.
    »Ich werde nicht mitkommen«, sagte sie. »Ich werde es nicht tun, verdammt nochmal …«
    Während sie sprach, öffnete sich die Tür. Eine ihr unbekannte Krankenschwester — wahrscheinlich eine von der Nachtschicht — stand in der Tür.
    »Haben Sie gerufen?« fragte sie.
    Kirsty schaute zu dem Zenobiten und dann wieder zurück zu der Krankenschwester. Sie standen kaum einen Meter voneinander entfernt.
    »Sie kann mich nicht sehen«, erklärte ihr das Wesen.
    »Und mich auch nicht hören. Ich gehöre zu dir, Kirsty.
    Und du zu mir.«
    »Nein«, sagte sie.
    »Sind Sie sicher?« fragte die Schwester. »Ich dachte, ich hätte gehört …«
    Kirsty schüttelte den Kopf. Es war Wahnsinn; blanker Wahnsinn.
    »Sie sollten im Bett sein«, tadelte die Schwester. »Sie holen sich noch den Tod.«
    Der Zenobit kicherte.
    »Ich schaue in fünf Minuten nochmal vorbei«, sagte die Schwester. »Bitte gehen Sie wieder schlafen.«
    Und damit verschwand sie.
    »Wir sollten jetzt besser gehen«, sagte der Zenobit, »und sie ihrem Flickwerk überlassen, was? Krankenhäuser sind so deprimierend.«
    »Keinesfalls«, beharrte sie.
    Er kam dennoch auf sie zu. Eine Kette kleiner Glöckchen, die vom zerklüfteten Fleisch seines Halses herabbaumelte, klingelten bei jeder Bewegung.
    Der Gestank, der von ihm ausging, brachte sie zum Würgen.
    »Warten Sie«, sagte sie.
    »Keine Tränen, bitte. Das wäre nur eine Verschwendung guten Leidens.«
    »Der Würfel«, sagte sie in letzter Verzweiflung.
    »Wollen Sie denn

Weitere Kostenlose Bücher