Das verbotene Land 3 - Drachenbruder
sein, dachte Anora, während sie mit ihrer Menschenhand die Stickerei glatt strich, wenn einem die Seele herausgezogen und in den Stoff meiner Magie eingestickt wird. In einem Stickrahmen eingesperrt.
Natürlich stahl der Drache nicht wirklich Markus' Seele. Drachen glauben nicht an Seelen. Anora hatte nur die Menschenbezeichnung übernommen. Der Zauber, mit dem sie Markus belegt hatte, stammte aus einer Zeit, als die Drachen während der alten Kriege miteinander gerungen hatten. Wenn ein Drache einen anderen dazu verleiten konnte, ihm in die Augen zu blicken, konnte dieser Drache die Farben seines Gegners packen und aufwickeln, rauben, abfließen lassen oder was immer ihm sonst noch einfiel. So wie eine Schlange ein Kaninchen in ihren Bann schlägt. Anora war sich nicht sicher gewesen, ob der Zauber bei Markus wirken würde, denn sie hatte ihn noch nie auf einen Menschen gerichtet. Doch es war lächerlich einfach gewesen, ihn in die Falle zu locken.
Noch immer waren Markus' Gedanken um die Spindel ihres Verstandes gewickelt. Es war eigentlich nicht notwendig, sie in das Porträt einzuarbeiten, aber es machte ihr Spaß und erhöhte seine Qual. Er wusste, was sie vorhatte. Als ihre Gedanken sich verbunden hatten, hatte er alles ganz deutlich gesehen. Leider musste der Fänger bei diesem Zauber seinem Gegner seinen Geist öffnen, um ihn zu erwischen – einer der Nachteile daran. Aber Anora hatte das Risiko bedacht und entschieden, dass es die Sache wert war.
So hatte sie den Kontakt des Menschen mit Drakonas unterbunden. Obwohl Markus ihre Pläne kannte, machte sie sich keine Gedanken, dass er sie jemandem enthüllen könnte. Der Prinz mochte sich winden, wie er wollte – sie hatte ihn fest im Griff. Er konnte erst entkommen, wenn sie ihn frei ließ. Für Markus würde erst der Tod die Freiheit bringen.
Die Menschenmutter kam mit raschelnden Röcken ins Zimmer. Ermintrude war fast so bleich wie ihr Sohn. Ihr Gesicht war zutiefst besorgt. Auch ihre Grübchen waren verschwunden. Sie ging zu Markus hinüber, legte eine Hand auf seine Stirn und fühlte ihm den Puls. Dann seufzte sie abgrundtief.
»Ich glaube, es geht ihm schon besser, Majestät«, sagte Anora in Gestalt der Grafentochter.
Ermintrude hörte nicht zu. Sie konzentrierte sich ausschließlich auf ihren Sohn, dem sie nun die Haare aus der Stirn strich. Erst da schien ihr einzufallen, dass sie nicht allein waren. Sie drehte sich zu lsabel um.
»Verzeihung, meine Liebe. Was sagtet Ihr gerade?«
»Ich sagte, ich glaube, es geht ihm schon besser, Majestät«, wiederholte Anora.
»Ich weiß nicht«, klagte Ermintrude leise. »Ich weiß nicht.«
Kopfschüttelnd fügte sie hinzu: »Nach dieser schrecklichen Botschaft aus Neubramfels finde ich, Ihr solltet nach Hause zurückkehren, Lady lsabel. Ich hätte Euch nie gestatten dürfen zu bleiben. Wenn ich gewusst hätte, wie groß die Gefahr wird, hätte ich das auch nicht getan.«
Das passte Anora überhaupt nicht. Sofort hatte sie ihr Gegenargument parat.
»Majestät«, flüsterte sie und schlug keusch die Augen nieder, »ich kann Seine Hoheit einfach nicht im Stich lassen. Vielleicht bilde ich es mir nur ein – ganz sicher –, aber es kommt mir so vor, als hätte Prinz Markus ein wenig für mich übrig. Ich fürchte, meine Abreise könnte seine Genesung beeinträchtigen.«
Sie sah der Königin ins Gesicht. »Ich habe keine Angst. Hier im Schloss fühle ich mich sicher, meine Königin. Aber vor einer Reise hätte ich jetzt schreckliche Angst.«
»Ihr bekommt natürlich eine Eskorte«, versicherte ihr die Königin.
»Dann würde ich tapfere Männer aus der Schlacht abziehen, falls es so weit kommt. Das würde mein Vater mir nie verzeihen.« Wieder senkte Anora den Blick. »Wenn Ihr es mir befehlt, gehe ich natürlich, Majestät. Aber lieber würde ich bleiben.«
Plötzlich wachte Markus auf. »Was ist los?«, fragte er, als er das gerötete Gesicht von lsabel und das Stirnrunzeln seiner Mutter bemerkte.
»Dein Vater und ich haben beschlossen, Lady lsabel nach Weinmauer zurückzuschicken«, teilte Ermintrude ihm mit. »Nur möchte die Dame offenbar nicht gehen.«
Anora glitt zu Markus hinüber und stellte sich neben ihn. Ihre Röcke strichen um ihre Knöchel. Sie sah ihm in die Augen. »Möchtet Ihr, dass ich gehe, Hoheit? Da Ihr bald mein Gatte sein werdet, lasse ich mich von Eurer Entscheidung leiten.«
In seinem Kopf erkannte sie sein rotes Bemühen, ihr zu entkommen. Sie hielt die Farbe fest und
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