Das Verlorene Labyrinth
und Wappenröcke, die das Zeichen ihres Herrn trugen, lagen versteckt im Dickicht. Sie hofften, dass ihr misslungener Vorstoß ihnen doch noch etwas einbringen könnte. Ein Geräusch. Das Knacken eines dürren Astes, der wiegende Gang eines gezügelten Pferdes, Hufeisen, die ab und an auf einen Stein traten.
Ein Mann mit einem Mund voller schwärzlich verfaulter Zähne kroch vor, um dem Geräusch auf den Grund zu gehen. Ein Stück entfernt sah er eine Frau auf einem kleinen Araberfuchs, die gemächlich durch den Wald ritt. Er grinste boshaft. Vielleicht war ihre sortie doch keine Zeitverschwendung. Die Kleidung der Reiterin sah schlicht aus und war sicherlich nicht viel wert, aber ein Pferd von diesem Kaliber würde einen guten Preis bringen.
Er warf ein Steinchen nach seinem Gefährten, der auf der anderen Seite des Weges versteckt lag. »Leve-toi!«, sagte er und deutete mit dem Kinn auf Alaïs. »Regarde.« Sieh doch. »Line femme. Et seule.«
»Bist du sicher, dass sie allein ist?«
»Ich höre sonst niemanden.«
Die beiden Männer griffen nach den Enden des Seils, das unter Blättern versteckt quer über dem Pfad lag, und warteten, dass die Frau ihnen in die Falle ging.
Alaïs' Mut verebbte, als sie tiefer in den Wald hineinritt.
Der Boden war oben feucht, doch darunter noch immer hart. Die Blätter auf dem Pfad raschelten unter Tatous Hufen. Alaïs versuchte sich auf das beruhigende Geräusch der Vögel in den Bäumen zu konzentrieren, aber ihr standen die Haare auf den Armen und im Nacken zu Berge. In der Stille des Waldes lag Bedrohung, nicht Frieden.
Das bildest du dir nur ein.
Auch Tatou spürte es. Ohne Vorwarnung flog etwas vom Boden hoch, mit dem Geräusch eines abgeschossenen Pfeils.
Ein Vogel? Eine Schlange?
Tatou stellte sich auf die Hinterbeine, schlug wild mit den Vorderhufen durch die Luft und wieherte panisch. Alaïs blieb keine Zeit zu reagieren. Die Kapuze rutschte ihr vom Kopf, und die Zügel wurden ihr aus den Händen gerissen, als sie rückwärts aus dem Sattel fiel. Sie schlug hart auf den Boden auf, spürte einen stechenden Schmerz in der Schulter und bekam im ersten Augenblick keine Luft mehr. Keuchend rollte sie sich zur Seite und versuchte aufzustehen. Sie musste Tatou festhalten, bevor sie durchging.
»Tatou, doqament!«, rief sie und kam taumelnd auf die Beine. »Tatou!«
Alaïs stolperte vorwärts, blieb dann ruckartig stehen. Ein Mann versperrte ihr den Weg. Er lächelte mit schwärzlichen Zähnen. In der Hand hielt er ein Messer, dessen matte Klinge an der Spitze braun verfärbt war.
Rechts von ihr bewegte sich etwas. Alaïs sah zur Seite. Ein zweiter Mann, dessen Gesicht durch eine gezackte Narbe entstellt war, die von seinem linken Auge bis zum Mundwinkel verlief, schnappte sich Tatous Zügel und schwenkte einen Stock. »Nein«, hörte sie sich rufen. »Lass sie in Ruhe.«
Trotz der Schmerzen in der Schulter legte sich ihre Hand um den Schwertgriff. Gib ihnen, was sie wollen, und sie lassen dich vielleicht gehen. Er machte einen Schritt auf sie zu. Alaïs zog die Klinge, schwang sie im Bogen durch die Luft. Sie hielt die Augen unverwandt auf sein Gesicht gerichtet, während sie in ihren Beutel fasste und eine Hand voll Münzen auf die Erde schleuderte.
»Nehmt das. Ich habe sonst nichts Wertvolles.«
Er warf einen Blick auf die paar Münzen, spuckte dann verächtlich aus. Mit dem Handrücken wischte er sich über den Mund und machte noch einen Schritt auf sie zu.
Alaïs hob ihr Schwert. »Ich warne dich. Komm nicht näher«, rief sie und schlug mit der Waffe eine Acht in die Luft, um ihn auf Abstand zu halten.
»Ligote-la«, befahl er dem anderen.
Alaïs wurde eiskalt. Einen Moment lang verlor sie den Mut. Das waren französische Soldaten, keine Wegelagerer. Die Geschichten, die sie unterwegs gehört hatte, schossen ihr durch den Kopf. Dann riss sie sich zusammen und schwang erneut das Schwert.
»Keinen Schritt näher«, schrie sie mit vor Angst spröder Stimme. »Ich töte euch, bevor ihr ...«
Alaïs fuhr herum und sprang auf den zweiten Mann zu, der sich von hinten an sie ranschleichen wollte. Mit einem Aufschrei schlug sie ihm den Stock aus der Hand. Er zückte ein Messer und stürzte sich brüllend auf sie. Sie fasste den Schwertgriff mit beiden Händen und stieß die Klinge abwärts in seine Hand, wie bei einem Bären auf der Hatz. Blut spritzte.
Sie holte zu einem zweiten Schlag aus, als plötzlich Sterne in ihrem Kopf explodierten, lila und
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