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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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Abendmahlzeit
    Toulouse, Dezember 1051
     
    R amón Berenguer wartete sehnsüchtig auf die Ankunft der Gräfin, während sich der Abt Sant Genís, ihr Beichtvater, und Robert von Surignan, der Kammerherr des Schlosses, seiner freundlich annahmen. Für diese Gelegenheit hatte er seine beste Festkleidung angezogen: einen kurzen Überrock von Golddamast, aus dessen Seitenschlitzen die eng anliegenden Ärmel eines feinen karmesinroten Hemdes hervorsahen. Dieses wurde von einem verzierten Gürtel umschlungen, und von ihm hing ein Dolch herab, an dessen schwarzem Onyxgriff die im Profil dargestellte Gestalt eines Pyrenäenbärs hervortrat. Außerdem trug er enge kobaltblaue Strümpfe und leichte Damhirschlederschuhe. Um den Hals hing ihm eine dicke Goldkette, an deren Ende sich ein Emailmedaillon mit dem Wappen Barcelonas befand. Er hatte das Haar nach Art der Edelknaben zusammengebunden. Ramón wusste, dass er einen zurückhaltenden und zugleich eleganten Eindruck machte. Er ließ das Gespräch, mit dem ihm der Abt Sant Genís und der Kammerherr des Pons von Toulouse die Wartezeit verkürzen wollten, über sich ergehen, ohne dass er richtig zuhörte, aber sein Blick wandte sich nicht von dem Türrahmen ab, in dem Almodis de la Marche erscheinen sollte. Ein gewaltiger Kamin, in dem ein großes Feuer prasselte, beherrschte den Raum. Darüber glänzte das Wappen des Hauses Toulouse. Es wurde von luxuriösen Wandteppichen mit Jagdszenen flankiert: ein Wildschwein, das mit seinen spitzen Hauern den Bauch eines Hetzhundes aufschlitzte, der es gewagt hatte, sich ihm entgegenzustellen, eine Truppe von Knappen, die an ihre Schilde schlugen, um ein Rudel Hirsche aus dem Dickicht hervorzutreiben und sie in die Schussweite der Armbrüste ihrer Herren zu bringen, während diese sich im Gesträuch duckten.

    Mitten im Saal hatte man einen einladenden Tisch für vier Personen hergerichtet. Er war mit einem schönen Leinentuch bedeckt, und darauf standen Teller und feines Kristallglas. So gefiel es der Gräfin, wenn sie nur wenige Gäste hatte, weil sie meinte, dass das Gespräch dann weniger förmlich und intimer wurde. Der Vorlegetisch an einer Seite war schon mit duftenden Speisen vollgeladen. In seiner Mitte befand sich eine Marmorgruppe. Sie stellte eine mit zarten Gewändern bekleidete Frau dar, die ihr Spiegelbild in einem Bach betrachtete. Neben der Figur brodelte eine stark gewürzte Brühe mit Austern und Fischklößchen in einer silbernen Suppenschüssel. Dahinter kamen eine riesige Gemüseplatte und eine weitere Platte mit kleinen Vögeln – Wachteln, Rebhühnern und Drosseln -, außerdem silberne Saucieren mit unterschiedlichen Tunken, um alle Speisen nach eigenem Geschmack zu würzen. Daneben röstete langsam ein Spanferkel, das auf einem Spieß über der Kohlenglut eines Bratöfchens steckte. An der Wand warteten mehrere Edelknaben wie Schatten auf die Anweisungen ihres Vorgesetzten, während zwei andere Weinkrüge und Wasserkaraffen aus geschliffenem Glas bereitstellten, damit man einschenken konnte, sobald es der Obermundschenk anordnete.
    Das Gespräch behandelte vielfältige Themen, von der Politik bis zu den Schwierigkeiten, die die Seeräuber im Mittelmeer bereiteten, denn mit der Piraterie gaben sich nicht nur Ungläubige ab, sondern auch Seeleute aus manchen rechtgläubigen Regionen, die es für einträglicher hielten, Schiffe zu überfallen, als sich in der christlichen Seefahrt abzumühen und sich für wenig Geld den Gefahren der Seereisen und den Unbilden des Meeres auszusetzen. Gerade erkundigte sich Ramón, wie es um die Gesundheit des alten Grafen von Toulouse bestellt sei.
    »Sagt mir, Kammerherr, welche Leiden plagen Euren Herrn, dass sie uns bei einer solch angenehmen Abendgesellschaft seiner Anwesenheit berauben?«
    Robert von Surignan antwortete: »Ihr müsst erfahren, Herr: Das Alter kennt kein Erbarmen, und die Gebrechen werden immer schlimmer. Die Wunden, die man sich auf dem Schlachtfeld geholt hat, fordern ihren Tribut. Der Graf von Toulouse leidet außerdem manchmal an Gichtanfällen, sie bereiten ihm schreckliche Schmerzen. Die Ärzte des Schlosses wissen nicht mehr, was sie tun sollen.«
    Auf einmal, vom Kreis der Lichter umgeben, die mehrere Männer trugen, schritt das Gefolge der Gräfin Almodis de la Marche durch den
Gang. Ein grüner und goldener Bliaud hob ihre eindrucksvolle Figur hervor, er betonte ihre Taille und bildete einen wirkungsvollen Kontrast zu ihrer roten Haarflut, die mit

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