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Das vierte Protokoll

Das vierte Protokoll

Titel: Das vierte Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Wochen ergaben, daß der Mann ein überzeugter Antikommunist und leidenschaftlicher Bewunderer Südafrikas war. Er merkte sich Berenson insgeheim als jemanden vor, den man unter falscher Flagge anlaufen konnte.
    Im Mai 1981 war er als Leiter der Dritten Abteilung nach Moskau zurückgekehrt und hatte sich nach einem südafrikanischen Maulwurf umgehört, der prosowjetisch eingestellt war. Das Illegalen-Direktorat ließ ihn wissen, daß es über zwei derartige Leute verfüge, einen Offizier namens Gerhardt in der Südafrikanischen Marine und einen Diplomaten namens Marais. Doch Marais war soeben nach drei Jahren in Bonn wieder nach Pretoria zurückgegangen.
    Im Frühjahr 1983 avancierte Karpow zum Generalmajor und Leiter des Illegalen-Direktorats, von dem Marais geführt wurde. Er befahl dem Südafrikaner, um einen Posten in London als krönenden Abschluß seiner langen Laufbahn im Dienste des Staates nachzusuchen, und 1984 wurde dieser Bitte stattgegeben. Karpow flog streng getarnt nach Paris und instruierte Marais persönlich: Marais sollte sich an George Berenson heranmachen und versuchen, ihn für Südafrika anzuwerben.
    Im Februar 1985, nach dem Tod Kirpitschenkos, wurde Karpow auf seinen jetzigen Posten berufen, und einen Monat später, im März, meldete Marais, daß Berenson angebissen habe. Noch im selben Monat traf die erste Sendung des Berenson-Materials ein; es war pures, vierundzwanzigkarätiges Gold aus der Hauptader. Seitdem hatte Karpow persönlich das Paar Berenson/Marais als Direktorenfall geführt und Marais zweimal innerhalb von zwei Jahren in europäischen Städten getroffen, um ihn zu beglückwünschen und sich von ihm Bericht erstatten zu lassen. Der Kurier hatte soeben zur Mittagessenszeit das neueste Bündel Berenson-Material gebracht, das von Marais an eine KGB-Adresse in Kopenhagen geschickt worden war.
    Der Londonaufenthalt von 1978 bis 1981 hatte noch einen zweiten Erfolg gezeitigt. Zu Knightsbridge und Hampstead, wie er Prime und Berenson nach seinem Privatcode nannte, war noch Chelsea gekommen.
    Er achtete Chelsea ebensosehr, wie er Prime und Berenson verachtete. Chelsea war kein Agent, sondern ein Kontakt, ein Mann, der in seinem Land eine hohe gesellschaftliche Stellung einnahm, ein Pragmatiker wie Karpow und ein Realist, was seine Arbeit, sein Land und die Welt betraf, in der er lebte. Karpow konnte sich nicht genug über die journalistischen Auslassungen des Westens wundern, denen zufolge die Nachrichtendienstler in einer Phantasiewelt leben; seiner Meinung nach lebten die Politiker in einer Traumwelt, als Opfer ihrer eigenen Propaganda.
    Nachrichtendienstler - das war sein Credo - mochten vielleicht durch dunkle Straßen schleichen, lügen und betrügen, um ihren Auftrag zu erfüllen, doch sollten sie sich je ins Reich der Phantasie begeben, wie dies die Undercover-Leute der CIA so oft getan hatten, dann kamen sie unweigerlich in die Klemme.
    Chelsea hatte ihm bereits bei zwei Gelegenheiten zu verstehen gegeben, daß alle Beteiligten in ein fürchterliches Schlamassel geraten würden, sollte die UdSSR auf einem bestimmten Kurs beharren; beide Male hatte er recht gehabt. Karpow hatte seine Leute vor der drohenden Gefahr warnen können und sich so beträchtlich mit Ruhm bekleckert.
    Er ließ seine Gedanken wieder zum vorliegenden Problem zurückschweifen. Borisow hatte recht; der Generalsekretär war dabei, höchstpersönlich und direkt vor seiner, Karpows, Nase, eine Operation in England aufzuziehen, unter Ausschluß des KGB. Er witterte Gefahr; der alte Minn war kein Profi im Nachrichtendienstgeschäft, trotz seiner Jahre an der Spitze des KGB.
    Karpows eigene Karriere stand vielleicht auf dem Spiel; er mußte unbedingt herausbekommen, was da im Busch war. Aber behutsam, sehr behutsam.
    Er sah auf die Uhr. Halb zwölf. Er ließ seinen Wagen kommen, stieg ein und fuhr nach Moskau zu seiner Wohnung.
    Barry Banks kam an jenem Montagmorgen um zehn vor neun im Hauptquartier des SIS an. Sentinel House ist ein großes, klobiges und überraschend mies aussehendes Gebäude auf dem Südufer, das der Greater London Council an eine gewisse Regierungsstelle vermietet hat. Die Aufzüge sind unberechenbar, und ein Wandmosaik im Erdgeschoß wirft unentwegt seine Plättchen ab wie Keramikschuppen.
    Banks wies sich am Empfang aus und fuhr hinauf zu Sir Nigels Büro. Der Meister ließ ihn keine Sekunde warten - seine übliche Methode, das aufstrebende Fußvolk zu beeindrucken.
    »Kennen Sie zufällig

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