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Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Gilbert
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leibhaftigen Körper auf die von dir erwähnte Weise zu überlassen«, sagte Ambrose.
    »Warum denn nicht?«
    »Weil ich nicht daran glaube.«
    Alma konnte kaum fassen, was sie da hörte. Eine Zeitlang brachte sie kein Wort heraus. Dann fragte sie: »Bist du etwa der Ansicht, dass der eheliche Akt – selbst zwischen Mann und Frau – verkommen und lasterhaft ist? Es ist dir doch sicherlich bekannt, Ambrose, was andere Leute in ehelicher Intimität miteinander teilen? Hältst du mich für verderbt, weil ich mir wünsche, dass mein Mann auch wirklich mein Mann ist? Du hast doch sicher schon von solchen Freuden zwischen Mann und Frau gehört?«
    »Ich bin nicht wie andere Männer, Alma. Kann dich das denn noch überraschen, nachdem wir einander so lange kennen?«
    »Für was hältst du dich dann, wenn nicht für einen Mann?«
    »Es geht nicht um das, wofür ich mich halte, Alma – es geht um das, was ich zu sein wünsche. Oder genauer: was ich einst war und wieder zu werden wünsche.«
    »Und das wäre, Ambrose?«
    »Ein Engel Gottes«, sagte Ambrose in einem Ton unsagbarer Traurigkeit. »Ich hatte die Hoffnung, wir könnten gemeinsam Engel Gottes sein. Dies ist jedoch nur möglich, wenn wir uns von den Fesseln des Fleisches befreien und einander in himmlischer Güte verbunden sind.«
    »Ach, bei der gottverdammten Gnade der verfluchten Mutter Gottes!«, wetterte Alma. Sie wollte ihn am Kragen packen und schütteln, so wie sie kürzlich Robert, den Gärtnersjungen, geschüttelt hatte. Sie wollte den Katechismus mit ihm erörtern. Die Frauen von Sodom, wollte sie ihn anschreien, hatten sich Jehovas Strafe zugezogen, weil sie mit Engeln verkehrt hatten – aber sie hatten immerhin die Gelegenheit dazu! Das sah ihrem Schicksal wieder ähnlich, dass ausgerechnet sie einen so schönen und dabei so unzugänglichen Engel geschickt bekam.
    »Komm schon, Ambrose!«, sagte sie. »Wach endlich auf! Wir leben hier nicht im Himmelreich – du nicht und erst recht nicht ich. Wie kannst du nur so töricht sein? Sieh mich an mit deinen Augen, Kind! Mit deinen echten, deinen sterblichen Augen. Sehe ich etwa aus wie ein Engel, Ambrose Pike?«
    »Ja«, antwortete er ebenso schlicht wie traurig.
    Almas Zorn verließ sie, und an seine Stelle trat bleierne, bodenlose Trauer.
    »Dann hast du dich aufs Schwerste getäuscht«, sagte sie, »und wir beide stecken jetzt in einem Mordsschlamassel.«
    •
    Er konnte nicht auf White Acre bleiben.
    Das offenbarte sich bereits nach Ablauf einer Woche – einer Woche, während der Ambrose im Gästequartier im Ostflügel nächtigte und Alma auf dem Diwan in der Remise und sie beide das Grinsen und Kichern der jungen Dienstmädchen über sich ergehen lassen mussten. Noch keinen Monat verheiratet und schliefen schon nicht nur in getrennten Zimmern, sondern gar in getrennten Gebäuden … wie hätten die Klatschmäuler auf dem Anwesen einem derart prächtigen Skandal widerstehen sollen?
    Hanneke tat ihr Bestes, das Personal im Zaum zu halten, doch die Gerüchte stoben und flatterten umher wie Fledermäuse in der Dämmerung. Sie erzählten sich, Alma sei so alt und hässlich, dass Ambrose es nicht ertragen könne, ganz gleich, wie viel Geld sie in ihrer vertrockneten Möse versteckt hielt. Sie erzählten sich, Ambrose sei beim Stehlen erwischt worden. Sie erzählten sich, Ambrose sei hübschen jungen Frauen zugetan und mit der Hand am Hintern eines Melkmädchens ertappt worden. Sie erzählten sich, was immer sie erzählen wollten, und Hanneke konnte schließlich nicht alle entlassen. Alma hörte selbst einiges davon mit an, und was sie nicht hörte, konnte sie sich unschwer ausmalen. Verächtlich genug waren die Blicke, die sie erntete.
    An einem späten Montagnachmittag Ende Oktober rief ihr Vater sie in sein Arbeitszimmer.
    »Was ist da eigentlich los?«, fragte er. »Hast du dein neues Spielzeug schon wieder über?«
    »Keinen Spott, Vater – ich schwöre dir, das kann ich nicht ertragen.«
    »Dann gib mir eine Erklärung.«
    »Es ist zu schändlich, um es zu erklären.«
    »Das kann ich mir nun wirklich nicht vorstellen. Glaubst du etwa, ich hätte die Unmenge von Gerüchten nicht mitbekommen? Was könntest du mir noch erzählen, das schändlicher wäre als das, was die Leute ohnehin längst reden?«
    »Es gibt vieles, Vater, was ich dir nicht sagen kann.«
    »War er dir untreu? Jetzt schon?«
    »Du kennst ihn doch, Vater. Das würde er nicht tun.«
    »Keiner von uns kennt ihn so recht, Alma. Also,

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