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Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Gilbert
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näherem Hinsehen stellte sie fest, dass es Krabben waren. Alma fand sie beunruhigend. Sie waren von beträchtlicher Größe und besaßen jede eine einzelne große Schere, die sie beim Dahinhuschen scheußlich klappernd neben sich herzogen. Sie kamen Almas Füßen erschreckend nahe. Ratten wären ihr da fast lieber gewesen. Sie war froh, dass sie Schuhe trug. Reverend Welles war seit der Messe irgendwie seiner Sandalen verlustig gegangen, doch die Krabben schienen ihn nicht weiter zu stören. Er plapperte den ganzen Weg über weiter.
    »Ich bin sehr gespannt, wie Tahiti Ihnen gefallen wird, Schwester Whittaker, aus botanischer Perspektive, nicht wahr«, sagte er. »Für viele ist es ja eine Enttäuschung. Das Klima sorgt für üppigen Wuchs, doch unsere Insel ist klein, nicht wahr, deshalb finden Sie hier mehr Fülle als Vielfalt. Sir Joseph Banks zumindest empfand Tahiti als höchst mangelhaft, rein botanisch, versteht sich. Er fand die Menschen hier deutlich fesselnder als die Pflanzen. Womöglich hatte er damit nicht unrecht! Wir haben hier nur zwei Orchideenarten – zu Mr Pikes großem Bedauern, obwohl er aufs Eifrigste nach weiteren suchte –, und wenn Sie die Palmen erst einmal durchschaut haben, was Ihnen sicherlich im Handumdrehen gelingt, gibt es auch da nicht mehr allzu viel zu entdecken. Es gibt hier einen Baum, den apage , nicht wahr, der Sie an einen Gummibaum erinnern wird und bis zu vierzig Fuß hoch werden kann – aber das dürfte eine Dame, die in den tiefen Wäldern Pennsylvanias groß geworden ist, kaum weiter beeindrucken, würde ich wetten! Hahaha!«
    Alma fehlte die Kraft, den Reverend darauf hinzuweisen, dass sie keineswegs im tiefen Wald groß geworden war.
    Er plauderte weiter: »Und eine hübsche Lorbeerart haben wir, den tamanhu – sehr schön und nützlich. Ihre Möbel sind daraus gefertigt. Schädlinge können ihm nichts anhaben, nicht wahr. Und eine Art Magnolie, die hutu , die ich Ihrem seligen Vater im Jahre 1838 überstellt habe. An der Küste wachsen überall Hibiskus und Mimosen. Und die Kastanie, die mape , die wird Ihnen gefallen – vielleicht haben Sie sie ja bereits am Flussufer bemerkt? Ich halte sie für den schönsten Baum der ganzen Insel. Die Frauen fertigen ihre Kleider aus der Rinde einer Art Papiermaulbeere – sie sagen tapa dazu –, doch inzwischen bevorzugen viele die Baumwoll- und Kattunstoffe, die die Seeleute mitbringen.«
    »Ich hatte auch Kattun dabei«, murmelte Alma bedrückt. »Für die Frauen.«
    »Oh, da werden sie sich aber freuen!«, rief der Reverend fröhlich, als wäre ihm bereits entfallen, dass Almas ganzer Besitz gestohlen worden war. »Haben Sie auch Papier dabei? Und Bücher?«
    »Hatte ich«, sagte Alma und wurde mit jedem Moment trübsinniger.
    »Nun, mit Papier hat man es hier nicht leicht, wie Sie feststellen werden. Der Wind, der Sand, das Salz, der Regen, die Insekten – es gibt kaum ein Klima, das Büchern weniger zuträglich wäre! Ich musste mit ansehen, nicht wahr, wie all meine Papiere vor meinen Augen verschwanden!«
    Fast hätte Alma erwidert: Das ging mir eben nicht anders . Sie hatte das Gefühl, im Leben noch nicht so hungrig und so müde gewesen zu sein.
    »Ich wollte, ich hätte ein Gedächtnis wie die Tahitianer«, fuhr Reverend Welles fort. »Dann bräuchte man gar kein Papier! Was wir in unseren Bibliotheken bewahren, das behalten sie im Kopf. Im Vergleich mit ihnen komme ich mir regelrecht töricht vor. Hier kennt noch der kleinste Fischerjunge zweihundert Sterne beim Namen! Und was die Alten alles wissen, das können Sie sich gar nicht vorstellen. Früher habe ich Aufzeichnungen gemacht, doch dann wurde ich es überdrüssig zuzusehen, wie sie zerfielen, während ich noch daran schrieb. Das fruchtbare Klima hier erzeugt Früchte und Blumen im Überfluss, nicht wahr, aber auch Fäulnis und Schimmel. Dies ist kein Land für Gelehrte! Aber was, frage ich Sie, ist uns schon die Geschichte? Wir weilen doch nur so kurz auf dieser Welt! Wozu machen wir uns die Mühe, unser flüchtiges Leben aufzuzeichnen? Falls Ihnen die Mücken abends lästig werden, bitten Sie doch Schwester Manu, dass sie Ihnen zeigt, wie man getrockneten Schweinedung vor der Tür verbrennt; das hält sie eine Zeitlang fern. Schwester Manu wird Ihnen von großem Nutzen sein. Früher habe ich immer selbst gepredigt, aber ihr macht es so viel mehr Freude als mir, und die Eingeborenen bevorzugen ihre Predigten, daher ist sie nun unsere Predigerin. Und weil

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