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Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Gilbert
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sie keine Familie hat, kümmert sie sich auch um die Schweine. Sie füttert sie mit eigener Hand, nicht wahr, damit sie nahe bei der Siedlung bleiben. Auf ihre Weise ist sie eine wohlhabende Frau. Für eines ihrer Ferkel wird sie einen Monat lang mit Fisch und anderen Gütern versorgt. Die Tahitianer schätzen gebratenes Ferkel. Früher glaubten sie, der Duft des Bratens locke Götter und Geister an. Manche glauben das ja bis heute, obwohl sie Christen sind, hahaha! Jedenfalls ist Schwester Manu eine wertvolle Bekanntschaft. Sie hat eine eindrucksvolle Singstimme. Für europäische Ohren entbehrt die tahitianische Musik ja jeglichen Wohlklangs, doch mit der Zeit gewöhnt man sich daran.«
    Dann war Schwester Manu also nicht seine Frau, dachte Alma. Aber wer war es dann? Wo war die Frau des Reverend?
    Er redete unermüdlich weiter: »Erschrecken Sie nicht, wenn Sie nachts Lichter in der Bucht sehen. Das sind nur die Männer, die mit Laternen fischen. Eine höchst pittoreske Sitte. Das Licht lockt die Fliegenden Fische an, und sie springen geradewegs in die Kanus. Manche der jungen Männer fangen sie sogar mit der Hand. Ich sage Ihnen, was immer Tahiti an Vielfalt zu Lande entbehrt, macht es durch eine Fülle an Wundern zu Wasser wieder wett! Wenn Sie mögen, zeige ich Ihnen morgen unsere Korallenfarm, draußen am Riff. Dort finden Sie die eindrucksvollsten Belege für Gottes Einfallsreichtum. Und da sind wir schon – das ist Mr Pikes Haus! Nun wird es Ihr Haus sein! Oder sagen wir lieber: Ihr fare ! Hier auf Tahiti nennen wir unsere Häuser fare . Es ist nie zu früh, ein paar Brocken der Sprache zu lernen, nicht wahr.«
    Alma wiederholte das Wort im Geiste: faa-reh . Sie prägte es sich ein. Sie war zwar erschöpft, doch so erschöpft konnte Alma gar nicht sein, dass sie bei einer neuen, unbekannten Sprache nicht aufgehorcht hätte. Im schwachen Licht des Mondes sah sie auf einer leichten Anhöhe oberhalb des Strandes das kleine fare unter einem Gitter aus Palmwedeln. Es war kaum größer als der kleinste Schuppen auf White Acre, doch es bot einen hübschen Anblick. Am ehesten erinnerte es an ein englisches Küstenhäuschen, wenngleich um einiges kleinformatiger. Vom Strand führte ein eigentümlicher Zickzackpfad aus zerstoßenen Muscheln zur Tür hinauf.
    »Ich weiß, es ist ein merkwürdiger Pfad, doch so machen das die Tahitianer«, erklärte Reverend Welles lachend. »Sie sehen keinen Vorteil darin, einen geraden Weg anzulegen, nicht einmal für die kürzeste Strecke! Sie werden sich an all diese Absonderlichkeiten schon noch gewöhnen! Aber es ist gut, ein Stück vom Strand entfernt zu wohnen. Das Haus liegt vier Fuß oberhalb der Flutgrenze.«
    Vier Fuß! Allzu viel erschien ihr das nicht.
    Alma und Reverend Welles folgten dem gewundenen Pfad hin zum Häuschen. Schon von weitem sah Alma, dass hier ein schlichter Vorhang aus verflochtenen Palmenblättern die Funktion einer Tür erfüllte. Reverend Welles schob ihn beiläufig beiseite. Ein Schloss gab es offensichtlich nicht – und es hatte auch nie eines gegeben. Drinnen zündete der Reverend die Laterne an. Sie standen nebeneinander in einem einzigen, offenen Zimmer unter einem einfachen Strohdach. Alma konnte gerade eben aufrecht stehen, ohne sich am niedrigsten Balken den Kopf zu stoßen. An der Wand huschte eine Eidechse entlang. Der Boden bestand aus getrocknetem Gras, das unter ihren Füßen raschelte. Eine kleine, unbehauene Bank ohne Polster, doch immerhin mit Rücken- und Armlehnen, stand im Raum. Außerdem gab es einen Tisch mit drei Stühlen, von denen einer kaputt und umgekippt war. Es sah aus wie in einem ärmlichen Kinderzimmer. Nach allen Seiten hin öffneten sich Fenster ohne Vorhänge und ohne Scheiben. Auch ein kleines Bett war vorhanden, kaum größer als die Bank, mit einer dünnen Matratze, die offenbar aus altem Segeltuch bestand und mit irgendetwas ausgestopft war. Alles in allem hätte das Zimmer besser zu jemandem von der Größe des Reverend Welles gepasst als zu jemandem von Almas Statur.
    »Mr Pike wollte wie die Eingeborenen leben«, erläuterte Reverend Welles, »in einem einzigen Zimmer also. Aber falls Sie Trennwände möchten, können wir sicherlich welche für Sie anbringen.«
    Alma konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wo man auf so geringem Raum noch Trennwände anbringen sollte. Wie wollte man ein Nichts aufteilen?
    »Möglicherweise möchten Sie irgendwann nach Papeete zurückkehren, Schwester Whittaker. Das

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