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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Hände zu Fäusten. Dann machte sie einen unsicheren Schritt auf ihn zu, hob die Rechte, als wolle sie ihn ohrfeigen, ließ die Hand aber kraftlos wieder sinken.
    »Eadwig … Oh, mein kleiner Sohn …« Ihr ganzes Gesicht verzerrte sich vor Schmerz, und sie weinte.
    Er trat zögernd zu ihr. Ihm graute davor, daß sie ihn wegstoßen, ihm die Schuld geben würde. Aber sie schlang unerwartet die Arme um seinen Hals und preßte das Gesicht an seine Brust.
    Er hielt sie, verlegen, unsicher und selber am Boden zerstört.
    »Ich weiß, es ist nur ein schwacher Hoffnungsschimmer, aber ich werde Erik um Hilfe bitten.« Sie versteifte sich spürbar in seinen Armen, aber er hielt sie weiterhin und fuhr fort: »Ich bin sicher, sie bringen Eadwig nach Haithabu, da ist der größte Sklavenmarkt im ganzen Norden. Erik ist dort zu Hause. Er kann hinfahren, und vielleicht gelingt es ihm ja, Eadwig ausfindig zu machen und zurückzubringen.«
    Sie hob den Kopf, machte sich von ihm los und tupfte mit dem Ärmel über ihr Gesicht. »Ich kann diesem Wikinger einfach nicht trauen, Cædmon. Vermutlich würde er Eadwig eher selbst verkaufen, als ihn uns zurückzubringen.«
    »Das glaube ich nicht. Schon wegen Hyld würde er das nicht tun. Und Guthric ist überzeugt, Erik sei ein anständiger Kerl.«
    Ihr Mund verzog sich, und Cædmon war beinah erleichtert, daß sie zu ihrer kühlen Verächtlichkeit zurückgefunden hatte. Das war ihm vertraut, er war es gewohnt, damit umzugehen.
    »Guthric ist nicht gerade das, was ich einen Menschenkenner nennen würde«, versetzte sie, sank dann auf die Bettkante nieder und starrte in ihren Schoß hinab. »Aber du hast recht. Es ist die einzige Chance, Eadwig zurückzubekommen. Wir dürfen nichts unversucht lassen. Gott, wenn ich daran denke, was er durchmacht, was sie ihm antun könnten …«
    Cædmon spürte, wie sein Magen sich verkrampfte. »Sie werden ihn schon anständig behandeln«, sagte er hastig. »Schließlich soll er ihnen ja etwas einbringen.«
    Marie nickte und wechselte das Thema: »Wann willst du nach York aufbrechen?«
    Er sah aus dem Fenster. Es war hell und versprach ein strahlend schöner Sommertag zu werden. »In einer Stunde.«
    Marie betrachtete ihn kritisch. »Aber kannst du so einfach fort? Hat der König dich nicht ausdrücklich angewiesen, bis auf weiteres in East Anglia zu bleiben und die Küste zu sichern?«
    »Ich glaube kaum, daß die Dänen sich nach letzter Nacht noch einmal herwagen. Aber selbst wenn. Alfred kann ebensogut mit ihnen fertig werden, das wichtigste ist, daß wir genügend geschulte Männer haben. Ich reite nach York. Ich bin sicher, der König wird es billigen, wenn ich ihm die Situation erkläre.«
    »Das wird er nicht, und das weißt du. Du wirst in Teufels Küche kommen.«
    Cædmon öffnete die Tür und blieb noch einmal kurz stehen.
    »Ich glaube, da bin ich längst.«

York, September 1069
    »Es heißt, sie lagern auf der Isle of Axholme«, berichtete Erik, noch ehe er die Tür seines Hauses ganz geschlossen hatte. Er sprach eigentümlich leise. Eine unheimliche Stille lag über der sonst so lärmenden,lebhaften Handelsstadt, die jeden veranlaßte, die Stimme zu senken.
    Hyld, Cædmon und Eriks jüngere Geschwister sahen ihm mit bangen Blicken entgegen.
    »Wo ist die Isle of Axholme?« fragte sein Bruder Leif.
    »Weiß der Teufel …«, brummte Erik.
    »Es ist eine Grasinsel in einem riesigen Moor westlich des Trent«, wußte Cædmon zu berichten. Er hatte sein Heimatland bei Williams Eroberungszügen ziemlich gut kennengelernt. »Schwer zugänglich.«
    »Vielleicht ist Eadwig dort«, mutmaßte Hyld nervös.
    Erik ließ sich seufzend auf der Bank am Tisch nieder. »Wie ich diese Sümpfe hasse. Wirklich, euer England ist in Wahrheit ein einziges Schlammloch.« Er sah zu Cædmon. »Und wenn wir jetzt hinreiten, werden wir ihnen in die Hände fallen. Das Lager ist streng bewacht, heißt es, und sie sind dabei, es zu befestigen. Ihre Hauptstreitmacht ist ausgerückt.«
    »In welche Richtung?« fragte Cædmon.
    Erik antwortete nicht, und Hyld legte ihrer jungen Schwägerin Irmingard instinktiv den Arm um die Schultern. »Kommen sie her?«
    Erik nickte. »Und im Norden stehen der König von Schottland und Edgar Ætheling mit einem gewaltigen Heer, um sich mit den Dänen zu vereinen.«
    »O mein Gott.« Hyld schloß für einen Moment die Augen. »Letztes Jahr die Normannen, jetzt die Dänen und die Schotten. Armes York. Was hast du nur verbrochen?«
    Cædmon

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