Das zweite Königreich
wohlgeformten Brauen in die Höhe. »Ist das wahr?« Er sah auf die junge englische Frau in ihrer seltsamen Verkleidung hinab. »Und ihr wolltet ihn zurückholen, ja?«
Erik nickte. »Ich bin gerne bereit, Euch den üblichen Preis zu zahlen«, sagte er gedämpft, er wollte nicht, daß Hyld es hörte.
Der dänische Prinz zeigte den Anflug eines Lächelns. »Nun, ich verliere Eadwig nur höchst ungern, er ist ein ausgesprochen brauchbarer Knabe. Und obwohl ich dem Kapitän der Freia ein kleines Vermögen zahlen mußte, um ihn zu bekommen, werde ich dein Geld nicht annehmen.« »Warum nicht?« fragte Erik mißtrauisch. Er kannte keinen Dänen, der sich freiwillig ein Geschäft entgehen ließ, egal ob Prinz oder Bettler. Knut wies auf Bruder und Schwester, die engumschlungen am Boden hockten. »Vielleicht rührt es mein Herz.« Dann sah er Erik wieder in die Augen. »Oder vielleicht, um dir Tribut zu zollen. Ich habe dich bedauert und deine Verwegenheit bewundert, als sie mir damals erzählten, zu welchem Zweck Harald Hårderåde dich in seinen Dienst genommen hatte. Ich war sicher, du würdest dabei sterben.«
Erik nickte mit einem unfrohen Lächeln. »Viel hat nicht gefehlt. Wieso … wißt Ihr davon?«
»Du hattest mich im Pferderennen geschlagen. Das hat mich geärgert, und deswegen habe ich mich über dich erkundigt. Ich wollte einfach wissen, wer du bist.« Prinz Knut grinste flüchtig und wies nochmals auf Hyld und Eadwig. »Deine Frau und ihr Bruder sind frei zu gehen, wohin es ihnen gefällt. Doch ich glaube nicht, daß ich dich so einfach ziehen lassen will …«
Penistone, Oktober 1069
König William zog wieder einmal in atemberaubendem Tempo nach Norden und schlug auf seinem Vormarsch unberechenbare Haken wie ein Hase, um die diversen Rebellionen niederzuschlagen. Er tat es en passant, seine Entschlossenheit, sein Mut und sein taktisches Geschick, die nicht einmal seine erbittertsten Feinde leugnen konnten, verhalfen ihm überall mühelos zum Sieg. Als er auf die Isle of Axholme marschierte, zogen die Dänen sich über den Humber zurück. Sie gedachten nicht, wie der Fuchs in der Falle zu hocken und sich in ihrer Inselfestung aushungern zu lassen.
Cædmon stieß in Südyorkshire auf den König, der in einem der zahllosen kleinen Flußtäler nahe des Dorfes Penistone lagerte, dessen Name unter den normannischen Truppen nicht enden wollende Heiterkeit hervorrief.
Cædmon begab sich umgehend zum Zelt des Königs. Lucien de Ponthieu bewachte den Eingang, und sie begrüßten einander kühl wie gewöhnlich.
»Was zur Hölle tust du hier?« fragte Lucien mit gerunzelter Stirn. »Ich dachte, du verteidigst deine Schweineställe in East Anglia.«
Cædmon winkte ungeduldig ab. »Das habe ich getan, und die Dänen haben meinen Bruder verschleppt. Darum bin ich ihnen gefolgt und war in York, als es fiel.«
Lucien machte große Augen. »Dann geh lieber gleich hinein. Ich bin sicher, das will er sofort hören.«
»Ja. Wo ist Etienne?«
»Irgendwo nördlich des Humber. Er führt einen Spähtrupp an, der die Bewegungen der Dänen verfolgen soll.«
Cædmon nickte und betrat das Zelt.
König William stand mit einem schlichten Zinnbecher in der Hand mit ein paar normannischen Adligen zusammen. Sie berieten das weitere Vorgehen, und Cædmon erkannte an den erhobenen Stimmen, daß sie sich nicht einig waren. Der König lauschte der hitzigen Debatte schweigend, mit gerunzelter Stirn. Er wirkte bleich, und seine Augen waren gerötet; man konnte ihm mühelos ansehen, daß er seit Wochen nicht genügend geschlafen hatte. Sein Kinn war unrasiert, sein Kettenhemd hier und da angerostet und stumpf. Im Zelt war es kalt, das kleine Kohlebecken in der Mitte kam gegen die nasse Herbstkälte nicht an. Hinter der Gruppe erahnte Cædmon im Schatten ein paar Decken am Boden – das königliche Lager. Williams Armeen marschierten immer mit leichtem Gepäck. Es bedeutete, daß jeder Mann, er selbst eingeschlossen, auf alle Bequemlichkeiten verzichten mußte, aber es machte sie schnell.
Cædmon trat ohne zu zögern näher, ignorierte die streitenden Offiziere und sank vor dem König auf ein Knie nieder.
William betrachtete ihn unbewegt. »Ich erhielt Eure Nachricht aus York. Und ich war sicher, Ihr hättet Euren Ungehorsam mit dem Leben bezahlt.«
Cædmon rieb sich das Kinn an der Schulter. »Ich habe getan, was Ihr befohlen hattet, Sire.« Und er betete inständig, daß die Dänen kein zweites Mal den Ouse hinaufgekommen waren,
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