Dave Duncan
Erfahrungen tatsächlich durchgemacht, die sie angedeutet hatte?
Konnte man überhaupt jemals etwas glauben, was hier gesagt wurde?
Azak ging hinter Inos zur Tür – mit hocherhobenem Kopf und durchgedrücktem Rücken. Kade trat an Inos’ Seite und nahm ihre Hand mit einer Geste, die nur Vorsicht und Mitgefühl zeigte. Beide waren aber nicht besonders hilfreich.
Rap! Er war nur ein Stalljunge, doch er war der einzige gewesen, der ihr treu geblieben war. Selbst, als Inos ihn im Wald verächtlich behandelt hatte, war seine Ergebenheit nicht ins Wanken geraten. Um ihretwillen hatte er die Qualen der Taiga ertragen, nicht nur einmal, sondern zweimal. Ihr einziger loyaler Untertan! Monarchen träumten von solch einer Loyalität. Für Rap würde Inos sogar der Wut einer Zauberin die Stirn bieten.
Sie hatte nur noch einen Bogen in ihrem Köcher, und er würde vielleicht alles nur noch schlimmer machen, aber anders als Rasha behauptete, waren sowohl Männer als auch Frauen in der Lage, Qualen durchzustehen, die schlimmer waren als ein schneller Tod.
»Er kennt ein Wort der Macht!«
Rasha wirbelte herum, und augenblicklich ersetzte matronenhafte Würde die Verführungskraft der Nymphe. »Wer?«
»Doktor Sagorn!« Inos beobachtete die Zauberin, die sich wie eine hungrige Katze an sie heranpirschte. »Und Rap auch.«
»So!« Rasha trat sehr nahe an sie heran und lächelte gefährlich. »Deshalb habt Ihr also mit einem Stalljungen Händchen gehalten? Ich habe mich schon gefragt, warum der Geruch nicht Eure königliche Nase gestört hat.«
Königin Rasha selbst roch gräßlich nach Gardenien. Rap, das wurde Inos plötzlich klar, hatte nach Kernseife gerochen, nicht wie üblich nach Pferden. Was völlig irrelevant war…
»Sein Talent wirkt nicht bei Menschen! Nur bei Tieren. Er ist ein Faun.« Kade mischte sich mit warnendem Ton ein. »Inos, Liebes!«
Die Zauberin hatte immer noch ihr falsches Lächeln aufgesetzt. »Aber Worte der Macht haben Nebenwirkungen. Selbst ein Wort verstärkt normalerweise die Lüsternheit eines Mannes, er würde automatisch jede herumstreunende Prinzessin nehmen.«
»Darum ging es nicht – ich kenne Rap mein ganzes Leben! Ich vertraue ihm…«
»Wie dumm Ihr seid!« schnaubte Rasha. »Vertraut niemals einem Mann, keinem Mann. Muskelmann, Ihr bleibt hier! Ich bin noch nicht fertig mich Euch.« Sie ließ Inos nicht aus den Augen; sie hatte mit Azak gesprochen, ohne ihn anzusehen. »Männer haben ihren Verstand zwischen den Beinen. Wißt Ihr das noch nicht, Kind?« »Nicht Rap!«
»Ja, auch Rap.« Sie betrachtete Inos einen Augenblick lang hinterlistig »Vielleicht werde ich ihn für Euch holen! Ich könnte Euch zeigen, wie er wirklich ist.«
»Glaubt ihr nicht!« rief Azak von der Tür her. »Sie kann jeden Mann bis zum Wahnsinn aufgeilen!«
Rasha erhob ihren Blick und starrte ihn an. Weiter schien sie nichts zu tun, aber der junge Riese schrie auf, griff sich an den Bauch, krümmte sich und fiel zu Boden.
»Rohling!« murmelte Rasha und betrachtete Inos erneut. Azak wand sich jammernd. Inos hatte Geschichten über Tiere gehört, die in Fallen gefangen waren und versuchten, sich ihre eigenen Pfoten abzubeißen… warum dachte sie in diesem Augenblick an so etwas? Sie rang vergeblich nach Worten, gleichermaßen entsetzt über die lässige Gleichgültigkeit der Zauberin wie über ihr barbarisches Tun.
»Nein«, sagte die Sultana. »Sie sind alle hinter der gleichen Sache her, sonst nichts.« »Nicht Rap!«
Rasha schien zu wachsen, und ihre Augen röteten sich. »Glaubt Ihr wirklich? Was wißt Ihr vom Leben, kleine Palastblume?«
»Genug!« rief Inos. »Ich wollte gerade den Mann heiraten, den ich liebte, und ich sah, wie er sich in ein Ungeheuer verwandelte!«
»Inos!« rief Kade scharf.
»Mit zwölf wurde ich an ein Ungeheuer verkauft. Er war alt. Er troff vor Schweiß.«
»Ich sah, wie mein Vater starb!«
»Als ich noch jünger war als Ihr, habe ich meine Babys sterben sehen!« »Ich habe die Taiga im Winter durchquert!«
»Ich habe auf einem Fischerboot für fünf Männer gekocht. Könnt Ihr Euch vorstellen, wie das war, Schmetterling?«
Neben Inos gackerte Kade wie ein aufgeregtes Huhn. Es war ganz bestimmt eine Dummheit, eine Zauberin anzuschreien, aber Inos ignorierte Kades Warnungen. Dennoch glaubte sie nicht, daß sie dieses verrückte Spiel gewinnen konnte. Rasha klang wie eines der Fischweiber am Hafen von Krasnegar – sehr erfahren.
»Ich kann
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