Deathbook (German Edition)
manipulierte QR -Codes problemlos auf Smartphones installieren ließen.
«Ich habe nicht so weit gedacht», sagte ich. «Dadurch, dass ich mein Handy bei Jan gelassen habe, habe ich den Täter auf ihn aufmerksam gemacht.»
«Kann sein, muss aber nicht», sagte Manuela. Ihre Worte passten aber nicht zu ihrer Mimik. Sie sah jetzt genauso erschrocken aus wie ich. «Schau doch mal nach, ob eine Nachricht drauf ist.»
Eigentlich hätte ich das Handy am liebsten gar nicht angefasst, kneifen konnte ich aber auch nicht. Ich machte mich auf das Schlimmste gefasst und holte das Handy aus dem Stand-by.
Es waren mehrere Nachrichten eingegangen. Tatsächlich: Eine stammte von Anima Moribunda. Keine Worte, nur ein Videoanhang. Genau das hatte ich befürchtet. Schulter an Schulter starrten Manuela und ich auf den kleinen Bildschirm. Doch bevor ich das Video starten konnte, knackte es im Unterholz, und wir zuckten beide zusammen.
«Lass uns besser reingehen», sagte Manuela. Sie ließ ihre Hand unter ihre Jacke gleiten. Ich hörte einen Druckknopf aufspringen, und im nächsten Moment hatte sie ihre Dienstwaffe in der Hand.
Als Erstes machte ich Licht im Untergeschoss. Im Haus herrschte Chaos. Kielings Leute waren wirklich nicht zimperlich gewesen.
Manuela durchsuchte alle Räume im Untergeschoss, dann kam sie zu mir zurück. So hatte ich sie noch nie gesehen. Ihr jugendliches Gesicht war angespannt, geradezu grimmig, und mit der Waffe in der Hand wirkte sie wie eine kämpferische Amazone. In diesem Moment verstand ich, dass ich diese kleine, zarte Frau immer unterschätzt hatte. Wie die meisten anderen Männer wahrscheinlich auch.
«Dann los», sagte sie.
Als ich das Video startete, nahm ich innerlich Abschied von Jan. Es tat mir unendlich leid, ihn in diese Geschichte mit hineingezogen zu haben.
Die Kamera war auf einen Tisch gerichtet. Auf der Tischplatte aus dunklem Holz lag ein Skalpell. Das chirurgische Instrument füllte das ganze Bild aus. Der etwas breitere, mattschimmernde Edelstahlgriff zeigte in Richtung Kamera.
Eine Hand griff nach dem Skalpell und nahm es vom Tisch auf. Es war eine linke Hand, und auf dem Ringfinger steckte ein klobiger Totenkopfring.
«Da», stieß ich aus. «Mario Böhm trägt so einen Ring. Ich hab’s doch gewusst.»
Die Kamera zoomte aus der Nahaufnahme heraus, behielt aber die Hand mit dem Skalpell im Fokus. Hoch erhoben, wie eine heilige Hostie, trug die Person, die auch die Kamera führte, das Skalpell durch den Raum. Im Hintergrund sah man unscharf lange Regalreihen, vollgestellt mit irgendwelchen Gefäßen. Dann kam ein Stativ ins Bild. Die Kamera wackelte, während sie darauf montiert wurde. Dabei zeigte sie erst den Fußboden – er war grau gefliest –, dann unscharf etwas im Hintergrund. Ein großer, unförmiger Sack, der von der Decke zu baumeln schien.
Die Kamera stellte auf das Objekt scharf.
Dort hing kopfüber ein Mensch. Um seine Fußgelenke lagen schwarze Fußfesseln mit Karabinern an einer starken Eisenkette. Die Arme waren auf dem Rücken gefesselt. Über dem Mund klebte ein Streifen braunes Paketklebeband. Der Mann hatte die Augen weit aufgerissen. Er schien bereits eine Weile in dieser Position zu hängen, denn sein Kopf war dunkelrot angelaufen.
Der Skalpellträger trat ins Bild. Die Kamera zeigte ihn zunächst von hinten. Er trug eine schwarze Stoffhose und einen schwarzen Pullover, dessen Kapuze weit über den Kopf gezogen war. Er war groß, schwer und hatte breite Schultern. Sein Gang war leicht schleppend.
Neben dem kopfüber aufgehängten Mann ging er in die Knie. Dann setzte er das Skalpell rechts an den Hals des Mannes. Der begann sich zu winden und hinter seinem Knebel zu schreien. Das Skalpell wurde zurückgezogen, noch einmal neu angesetzt, wieder zurückgezogen, dann eine schnelle Bewegung – und am Hals des Mannes klaffte eine Schnittwunde. Sie war zwar lang, aber nicht tief. Durch den Blutstau in Kopf und Hals des Mannes trat sofort Blut aus und tropfte zu Boden.
Der Kapuzenträger stand auf. Mit hängenden Schultern stand er einfach nur da und verdeckte den Mann mit seinem breiten Körper.
Bis er sich langsam umdrehte und in die Kamera sah.
Unter der Kapuze war kein Gesicht, sondern eine emotionslose Maske mit Blutfäden vor den Augen.
«Verfluchte Scheiße», stieß Manuela aus.
Ich war kaum in der Lage, ein Wort herauszubringen. Das Video verstörte mich in zweierlei Hinsicht: Die Brutalität und Zielstrebigkeit des Täters war
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