Deathkiss - Suess schmeckt die Rache
zwischen kleinen Städten, die vom Tourismus lebten. Eine hübsche Gegend, aber wärmer, als ihm lieb war. Er hatte einige Zeit gebraucht, um die Umstellung zu verkraften, und war überall auf die Klimaanlage angewiesen: im Auto, in seiner Wohnung und auch im Büro. Dieser Sommer war der vierte, den er in dieser Region erlebte, und bisher der schlimmste. Die Hitzewelle hielt an, die Temperaturen sanken selbst nachts selten unter dreißig Grad.
Der Wasserstand in den Reservoirs sank, das Stromnetz war überlastet, weil zu viel Energie für Kühlung und Klimatisierung verbraucht wurde, so dass Stromausfälle an der Tagesordnung waren, und ständig drohte die Gefahr von Waldbränden – ein Funke reichte aus, um die verdorrten Wiesen und zundertrockenen Wälder in Flammen aufgehen zu lassen.
Er fühlte sich häufig unwohl. Sicher hätte es ihm gut getan, etwa fünfzehn Pfund abzunehmen, aber bisher hatte er noch kein Gramm Gewicht verloren und keinen Fuß ins Fitness-Center gesetzt.
Er lockerte seine Krawatte, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und ließ noch einmal alle Fakten über Mary Beth Flannerys Tod Revue passieren. Das war seine Arbeitsweise. Ein rätselhafter Fall wie dieser ging ihm unter die Haut, und er dachte Tag und Nacht kaum an etwas anderes. Fälle, die einfacher lagen, erzeugten nicht dieses Prickeln in ihm, diesen Drang, den Mörder zu überlisten, den Wettlauf mit der Zeit zu gewinnen, ehe er erneut zuschlug.
Denn dass das geschehen würde, stand für Paterno fest. Hinter diesen Gewalttaten steckte mehr. Der Kerl trieb ein Spiel, verbreitete Angst und Schrecken und forderte die Polizei heraus, indem er absichtlich Spuren hinterließ.
Warum sonst tauchte immer wieder dieses merkwürdige Symbol auf?
Warum sonst legte er es darauf an, die Polizei und alle anderen Beteiligten wissen zu lassen, dass Dani Settlers Entführung etwas mit dem Tod von Mary Beth Flannery zu tun hatte?
Paterno las noch einmal den Teil seiner Aufzeichnungen durch, der sich mit dem Opfer befasste.
Mary Beth Flannery war dreißig Jahre alt, Mutter zweier Kinder und hatte, wie man munkelte, kurz vor der Scheidung von ihrem Mann gestanden, Robert Flannery, einem Feuerwehrmann. Sie hatte eine hohe Lebensversicherung, über fast eine halbe Million Dollar. Doch sie sträubte sich gegen die Scheidung. Ihr Tod befreite Flannery von dem Ehejoch und bescherte ihm gleichzeitig eine Menge Geld.
Und Robert Flannery steckte in finanziellen Schwierigkeiten. Da war zunächst einmal das Haus, das schwer mit Hypotheken belastet war. Alles Pfändbare darin war bereits abgeholt worden. Hinzu kamen Kreditschulden und die Leasing-Raten für einen brandneuen BMW.
Robert Flannery hatte weiß Gott ein Motiv, seine Frau umzubringen, aber warum sollte er einen so ausgeklügelten, inszenierten Mord begehen? Das passte nicht. Es sei denn, er wollte den Verdacht von sich ablenken, indem er den Anschein erweckte, hier sei derselbe Täter am Werk gewesen wie bei den bisherigen Vorfällen. Das hielt Paterno allerdings für wenig wahrscheinlich.
Robert Flannery erschien ihm sehr impulsiv – eine Tat derart kompliziert zu planen, sähe ihm nicht ähnlich. Wenn er seiner Frau den Tod gewünscht hätte, wäre er eher der Typ, der einen Auftragskiller anheuerte oder einen Unfall inszenierte. Aber nicht etwas so Bizarres, beinahe Rituelles. Dazu hätte er gar nicht die Vorstellungskraft aufgebracht.
Wer war es dann?
Wieder trommelte Paterno mit den Fingern auf die Tischplatte und furchte die Stirn.
Es gab noch andere, die Mary Beth sicher gern aus dem Weg gehabt hätten, nicht zuletzt Cynthia Tallericco, Roberts Geliebte. Doch wiederum stellte sich die Frage nach dem Grund für die ausgeklügelte Vorgehensweise, die präzise Planung und nach der Verbindung zu Dani Settlers Verschwinden.
Interessant war allerdings, dass Tallericco maßgeblich an der Durchführung der Adoption von Shannon Flannerys Tochter beteiligt gewesen war.
Zufall?
Paterno glaubte nicht an Zufälle.
Warum sollte Cynthia Tallericco oder sonst jemand dieses Symbol auf den Spiegel malen? Und auf den Rucksack?
Den Rucksack hatte die Spurensicherung im Waschbecken gefunden. Er war angesengt, im Übrigen aber unbeschädigt – offenbar war das Material mit einer flammenabweisenden Substanz behandelt worden. Der Mörder musste ihn im Voraus präpariert und dann am Tatort zurückgelassen haben.
Paternos Stuhl knarrte, als er aufstand. Er beugte sich noch einmal über seinen
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