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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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brachte ihn schnell zu einem viktorianischen Gebäude am anderen Flußufer. Nachdem er den Chauffeur bezahlt hatte, verharrte er kurz vor dem Schild am Tor mit der Aufschrift: >University of Cambridge Faculty of English<. Eine dichte Wand von Nadelbäumen verbarg einen Parkplatz neben dem Gebäude, aber auf einem überdachten Stellplatz vor dem Haus entdeckte er einen alten Renault und einen Volvo. Offensichtlich würde er auch noch nach fünf Uhr ein paar Nachzügler antreffen.
      Das Gebäude aus grauem Klinker mit dem Spitzgiebel hatte bessere Zeiten gesehen. Wucherndes Gebüsch und abgestorbene Kletterpflanzen an der Fassade vermittelten einen desolaten Eindruck, der nur durch die weißen Fensterumrandungen und eine glänzende marineblaue Tür gemildert wurde. Kincaid klopfte leise, drehte den Türknauf und ging hinein. Er fand sich in einer kleinen Empfangshalle wieder, und während er innehielt und überlegte, wo er nun sein Glück versuchen sollte, ging eine Tür zu seiner Linken auf, und eine Frau streckte den Kopf heraus.
      »Ich habe jemanden gehört und den Gang nicht erkannt.« Sie trat lächelnd in die Diele. Sie war mollig und sympathisch, mit dichtem braunem Haar und einer Brille auf der Nasenspitze. »Kann ich was für Sie tun?« fragte sie.
      »Ich dachte, ich erwische Dr. McClellan noch vor Dienstschluß«, sagte Kincaid, dem etwas verspätet Skrupel kamen. War es ratsam gewesen, sich unangemeldet in Vics Berufsleben zu drängeln?
      »Das ist wirklich Pech! Sie haben sie nur um Minuten verpaßt. Kit hat heute nachmittag ein Fußballspiel. Dr. McClellan ist dabei. Wann immer sie Zeit hat.« Die Frau streckte ihm die Hand entgegen. »Ich bin Laura Miller, die Fakultätssekretärin. Kann ich vielleicht was ausrichten?«
      »Duncan Kincaid«, stellte er sich vor und schüttelte ihr die Hand. »Sagen Sie ihr einfach, ich hätte vorbeigeschaut ...« Er hielt inne, als über ihnen eine Tür zuschlug und schnelle, schwere Schritte auf der Treppe näher kamen.
      »Verdammt, Laura! Ich kann das dämliche Fax nirgendwo finden. Sind Sie sicher, daß es nicht im Papierkorb gelandet ist?« Ein Mann - groß, mit Löwenmähne und der leicht geröteten Gesichtsfarbe des Cholerikers - folgte in persona dem Echo seiner Stimme. »Sie wissen, wie großzügig Iris mit den Unterlagen anderer Leute umgeht. Ein Wunder, daß man überhaupt noch was findet, das ...« Seine Tirade endete abrupt, als sein Blick auf Kincaid fiel. »Oh, Verzeihung. Hatte keine Ahnung, daß wir Besuch haben. Ist ja gespenstisch, wie hier alles verschwindet.« Eine Locke des dichten graumelierten Haars fiel ihm in die Stirn, als er Kincaid verlegen anlächelte. »Und die arme Laura kriegt dann immer geballt unseren Frust ab.«
      Die Sekretärin warf ihm einen scharfen Blick zu, sagte jedoch gelassen: »Diesmal liegt es auf Dr. Winslows Schreibtisch, Dr. Eliot. Aber da es die gesamte Fakultät betrifft...« Sie warf Kincaid einen Seitenblick zu und korrigierte, was immer sie hatte sagen wollen, zu: »Ich hole es Ihnen. Schätze, sie hat nichts dagegen, wenn Sie sich darum kümmern.«
      Mit einem Lächeln zu Kincaid lief sie in ihr Büro und kam kurz darauf mit einem Fax zurück. »Iris Winslow ist unser Dekan«, erklärte sie. »Dr. Eliot ...« Sie nickte zu dem Mann mit der Löwenmähne hin ... »lehrt unter anderem Literaturgeschichte mit Schwerpunkt Literaturkritik. Dr. Eliot, das ist Mr. Kincaid. Er wollte zu Vic.«
      Kincaid fühlte, wie das Niveau des Interesses im Raum schlagartig nach oben tendierte. Eliot musterte ihn kritisch.
      »Was Sie nicht sagen! Können wir Ihnen irgendwie behilflich sein?« Das dringende Fax war offensichtlich vergessen. Eliot schob nach Art von Napoleon eine Hand in sein Jackett und ließ sie auf seiner pflaumenfarbenen Weste ruhen.
      Die Weste sieht verdächtig nach Kaschmir und das Jackett nach Harris-Tweed aus, urteilte Kincaid. Eliot und die Sekretärin betrachteten ihn erwartungsvoll lächelnd mit wachem Blick, und er hatte plötzlich das Gefühl, in einen Schwarm Barrakudas geraten zu sein. »Nein, nicht nötig. Keine Umstände. Ich rufe Vic an.« Damit nickte er ihnen zu und ging.
      Er schlenderte die West Road bis zur Queen’s Road zurück. Die Ampel dort zeigte Rot. Während er wartete, sah er sich, die Hände in den Hosentaschen, um. Der Weg zum Bahnhof führte nach rechts über den Fluß. Um diese Tageszeit waren die Züge sicher überfüllt. Das warme, schöne Wetter

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