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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Was mir großen Spaß gemacht hat. Vermutlich werden meine Tage reichlich eintönig werden, ohne die Vorfreude auf unsere kleinen Scharmützel.« Er runzelte die Stirn, so daß sich seine dichten Augenbrauen über der Nasenwurzel zusammenzogen. »Es mag Ihnen komisch Vorkommen, Mr. ...«
      »Kincaid.«
      »... Mr. Kincaid, aber ich versichere Ihnen, daß es mir viel bedeutet hat. Victoria und ich waren die alleinigen Bewohner dieses luftigen Horsts, wie wir diese Etage gern nennen. Ich hätte schon vor Jahren in eines der größeren Büros in einem der unteren Stockwerke ziehen können - auf Grund meiner langjährigen Zugehörigkeit zur Fakultät -, aber ich habe mich hier wohl gefühlt. Allerdings bin ich von Natur aus kein Einsiedler, und der Einzug der blonden Victoria hat mich damals von der Zwangsvorstellung befreit, im sprichwörtlichen Elfenbeinturm gefangen zu sitzen.«
      Kincaid dachte, daß im Fall von Iris Winslows Rücktritt Darcy Eliot doch noch eine Ortsveränderung ins Auge fassen mußte. Trotzdem konnte er verstehen, weshalb er an diesem Büro hing. Es war ein schöner Raum mit einem Erkerfenster. Die Wände bedeckten Büchervitrinen. Über den Regalen hingen gerahmte Karikaturen. Ein Pfeifenschränkchen auf einer der Vitrinen enthielt eine wertvoll aussehende Pfeifen-sammlung. Die Luft jedoch war frei von Tabakgeruch.
      Eliot, der seinem Blick gefolgt war, sagte: »Habe es vor ein paar Jahren aufgegeben - als Folge der ersten Ahnung meiner Sterblichkeit -, aber ich konnte mich nicht überwinden, die Pfeifen wegzugeben. Sie unterstreichen so nett die Aura des Professoralen, finden Sie nicht?«
      »Unbedingt. Und Ihre Studenten wissen es sicher zu schätzen, daß Sie sie nicht mehr einräuchern.«
      Eliot lächelte. »Ganz wie Victoria. Ich hing noch am Nikotintropf, als sie hierherkam, und wir hatten deshalb endlose Auseinandersetzungen.«
      Kincaid war erstaunt. Er hatte Vic immer für jemanden gehalten, der direkten Konfrontationen aus dem Weg ging. Offenbar hatte sie sich im täglichen Kontakt mit einem Mann geändert, der ein so offensichtliches Vergnügen an der Streitkultur fand. »Und als das Thema erledigt war? Worüber haben Sie danach mit ihr gestritten?« fragte er. »Dr. Winslow sagte, Sie hätten was gegen die Biographie, an der Vic schrieb.«
      »Ich bin nicht gegen Vics Biographie im speziellen - obwohl ich die arme Lydia nicht als ein ergiebiges Thema ansehe -, sondern nur gegen die allgemeine Vorstellung, daß es amüsant sei, das Privatleben von Dichtern und Autoren vor der breiten Masse auszuschlachten. Sind Sie ein Freund der Literatur, Mr. Kincaid?«
      Er dachte an den alten Witz mit Vic - Polizisten lesen nicht - und beschloß, daß dies ein Augenblick war, in dem er sich nicht verteidigen mußte. »Hm, nicht besonders«, erwiderte er und setzte eine zögerliche Miene auf.
      Eliot hakte die Daumen etwas fester über seiner Brust ineinander und hob an, in jener vollmundigen Sprache zu reden, die Kincaid unweigerlich mit einem Vorlesungssaal verband: »Es ist meine Überzeugung, daß es kein Beispiel eines literarischen Texts ohne Widersprüchlichkeiten gibt, so daß es sich quasi per se als bedeutungslos abqualifiziert. Und wenn der Text selbst bedeutungslos ist, welchen Sinn hat es dann, das Leben eines Autors unter die Lupe zu nehmen? Und ich darf hinzufügen, da der Lebenswandel der meisten Autoren kaum von dem des normalen Sterblichen in seinem bemitleidenswerten Bemühen abweicht, negative Seiten seines Charakters zu vertuschen, können biographische Abhandlungen kaum von Interesse sein.« Er wippte mit seinem Stuhl hin und her und strahlte.
      »Warum geben Sie sich dann die Mühe, etwas zu lehren, das Sie als grundsätzlich sinnlos erachten?« konterte Kincaid und fragte sich, ob ihm an Eliots Argumentation etwas entgangen war.
      »Na, irgendwas muß der Mensch schließlich tun, oder?« Eliot saß noch immer selbstzufrieden auf seinem Stuhl. »Und ich finde es amüsanter als so manch andere Beschäftigung, die mir gerade in den Sinn kommt.«
      »Darf ich annehmen, daß Vic mit Ihrer Theorie nicht einverstanden war?«
      Eliot schüttelte den Kopf und spitzte bedauernd die Lippen. »Victoria bestand darauf, die kritische weibliche Betrachtungsweise mit einer Art aufpolierter Version von liberalem Humanismus zu verkuppeln - und damit ein schreckliches Hybrid zu schaffen, das bestenfalls unlogisch

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