Deer Lake 02 - Engel der Schuld
Fall den Sie hier haben. Da k ö nnte alles m ö gliche passieren . . . «
» Ellen . . . Sie sind ein m ö gliches Ziel . . . «
» Das erste was wir tun: wir bringen alle Anw ä lte um . . . «
Die Rollos klapperten zurück gegen das Fensterglas. Ellen riß den Hörer hoch und tippte die Nummer des Sheriffsbüros im angrenzenden Gebäude ein. Seit zwei Jahren arbeitete sie ohne Angst in diesem Haus. Sie hatte nie das Gefühl gehabt, daß ein Wachmann nötig wäre, hatte nie eine Gänsehaut bekommen, wenn sie nachts allein durch die Korridore ging. Dieses Gefühl von Ruhe war eines der Dinge, die sie gesucht hatte, als sie herkam. In Deer Lake konnte sie nachts mit ihrem Hund am See spazierengehen, konnte ihr Schlafzimmerfenster offenlassen und von einer kühlen Herbstbrise liebkost einschlafen. Jetzt rief sie den Deputy des Sheriffs an, damit er sie zu ihrem Auto begleitete.
Der Deputy, der fünf Minuten später an der Bürotür erschien, war Ed Qualey. Er ging auf die Sechzig zu, war mager und sehnig, hatte einen zinngrauen Bürstenhaarschnitt und durchdringende blaue Augen. Er hatte gelegentlich für Ellen als Zeuge vor Gericht ausgesagt. Ein guter, solider Cop.
»Ich hoffe, ich habe Sie nicht von etwas allzu Wichtigem abgezogen?« sagte sie, als sie langsam den spärlich beleuchteten Korridor hinuntergingen.
Qualey schüttelte den Kopf. »Nee, gibt nur Unfallberichte momentan, ein paar Blechschäden, mehr ist heute nacht nicht los. Ich bin sowieso im leichten Dienst. Hab' mir beim Hockey das Knie angeschlagen. Ich glaube, heute abend war die ganze Action sowieso drüben in Campion, was?«
»Mmmm.«
»Also, ich kann's Ihnen nicht verdenken, daß Sie nicht allein zum Auto gehen wollen. Momentan sind alle ein bißchen nervös. Keiner weiß mehr, was alles passieren kann.«
»Ich hatte mal ein Motto«, sagte Ellen. »Erwarte das Schlimmste, hoffe auf das Beste.«
Qualey runzelte die Stirn, als sie an der Treppe angelangt waren.
»Im Augenblick kriegen wir mehr Schlimmes ab, soviel ist sicher. Parken Sie an der Seite?«
»Ja.«
Sie durchquerten die Rotunde, das Geräusch ihrer Schritte dröhnte drei Stockwerke hoch. Ein scharfer Knall hallte einen der dunklen Korridore entlang, und Ellen zuckte zusammen. Dann machte sie sich Vorwürfe. Das Gebäude hatte ein Jahrhundert des Ächzens und Stöhnens auf dem Buckel.
»Wirklich furchtbar, das mit Denny Enberg«, sagte Qualey. »Er war ein anständiger Kerl für einen Strafverteidiger. Alle sagen, es sah aus wie Selbstmord.«
»Sah so aus. Wir werden sehen, was die Obduktion ergibt.«
Qualey summte eine nichtssagende Melodie. Ellen wurde plötzlich klar, daß es den Leuten viel lieber wäre, daß Dennis sich eine Flinte in den Mund gesteckt und sein Leben selbst beendet hätte, so furchtbar das auch wäre. Es wäre ihnen lieber, daß ihn die Last seiner Probleme erdrückt und er keinen anderen Ausweg gesehen hätte, weil sich dann der Irrsinn auf diesen einen Mann beschränken würde. Etwas, das man beklagen konnte, aber nichts Ansteckendes. Die Alternative war Verwundbarkeit, und niemand wollte verwundbar sein.
Ellens Bonneville war der einzige Wagen auf dem Parkplatz des Gerichtsgebäudes. Sechzig Meter in der anderen Richtung, neben dem Büro des Sheriffs und dem Bezirksgefängnis, drängten sich etwa ein Dutzend Fahrzeuge wie eine Pferdeherde, auf deren Rücken sich der Schnee immer höher türmte.
Der Wind peitschte vom Nordwesten heran, pfiff um die Ecken des Gebäudes, wirbelte kleine puderweiße Zyklone auf, die über den ungeräumten Parkplatz fegten. Der Gehsteig war verschwunden. Straßenlichter schimmerten dunstig wie kleine Monde. Die Straßen waren praktisch verlassen. Die Einwohner zogen es vor, sich für den Rest des Abends einzugraben, auf die Spätnachrichten zu warten und die Vorhersagen für den morgendlichen Pendelverkehr zur Arbeit und zur Schule zu hören.
»Danke, Ed«, sagte Ellen und winkte ihm zum Abschied, als sie sich dem Wagen näherten.
»Keine Ursache. Halten Sie sich warm.« Er zog die Schultern hoch und ging zum Eingang des Sheriffsbüros.
Ellen drückte den Knopf ihrer Fernbedienung, der die Wagentüren öffnete und die Innenbeleuchtung einschaltete. Ihr Blick schweifte über das Umfeld, wesentlich kritischer als beim Einparken auf Rudys persönlichem Platz vor zwei Stunden. Der Platz war nahe am Gebäude, das hatte so einladend ausgesehen und den Weg durch das gräßliche Wetter verkürzt, aber jetzt fand sie ihre
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