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Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Titel: Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marias
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jedoch nur auf implizite und, wie soll man sagen, forschende Weise, indem er sich intensiv für sie interessiert –, der sich jedoch in dem seltenen Fall, daß einer der von ihm Umworbenen tatsächlich etwas von ihm will, immer noch lachend aus dem Staub macht, aus Angst, den Ansprüchen nicht gerecht zu werden. Er hatte eine absonderliche Frisur, sie erinnerte an eine Davy-Crockett-Mütze (ohne den Biber- oder Waschbärenschwanz oder was das war, herabhängende Lumpen gab es in der Botschaft schon genug durch De la Garza; auch wenn der sie dort möglicherweise nicht trug), und ich fragte mich immer, ob es sich bei dieser Trappermützen-Frisur in Wirklichkeit nicht um eine derart pompöse und dichte Perücke handelte, daß genau deshalb niemand wagte, sie eben dafür zu halten. Sooft ich ihn sah, überkam mich die Lust, kräftig daran zu ziehen, unter dem Deckmantel männlicher Zuneigung oder eines so männlichen wie unangebrachten Scherzes, um so festzustellen, ob das Ding abging, und nebenbei zu überprüfen, wie es sich anfühlte (es sah schauderhaft aus, hatte aber einen samtigen Glanz).
    Als wir uns kennenlernten, hatte er mir keine Beachtung geschenkt – einem armen Hund vom Radio; er hatte sich immer für etwas Besseres gehalten, obwohl er damals selbst nichts anderes war –, doch mittlerweile hatte er mich als jemanden eingeordnet, der über Verbindungen verfügte und leicht geheimnisumwittert war. Er wußte nicht genau, worum es bei meiner Arbeit ging und wem ich damit diente, aber er war mehr oder weniger informiert, daß ich gelegentlich schicke Diskotheken, Luxusrestaurants, Pferderennbahnen, Abendessen mit Berühmtheiten und die Stamford Bridge frequentierte, dazu gewisse entsetzliche Kaschemmen, in die sich sonst kein Spanier wagte (Tupras Geselligkeitsphasen dauerten manchmal Wochen), all das in Begleitung Einheimischer, was in England so leicht kein Ausländer schafft, nicht einmal die Diplomaten. (Jetzt würde er mich auch noch in den erstklassigen Schuhen von Hlustik und Von Truschinsky sehen, Garralde war ein furchtbarer Kleinkrämer und Einfaltspinsel.) Er empfand für mich das Beste, was ein Bekannter für einen empfinden kann, das Zweckmäßigste überhaupt: verwirrtes Staunen und Neugier. Das veranlaßte ihn dazu, die wildesten Spekulationen über meine Kontakte und Einflußmöglichkeiten anzustellen, und so würde er sich daher zu allem bereitfinden, worum ich ihn bat. Also ersuchte ich ihn ohne Erklärung um einen Termin in der Botschaft; an seinem Tisch angekommen, erklärte ich ihm sogleich mein Anliegen (mit gesenkter Stimme, er teilte sich das Büro mit drei anderen Botschaftsangestellten, da hatte er noch einiges an Fortkommen vor sich, wenn er in diesem Umfeld zu bleiben gedachte).
    »Eigentlich bin ich gar nicht deinetwegen hier, Garralde. Ich wollte nur einen Termin bei dir, um keine Probleme beim Pförtner zu haben. Ich besuche dich jetzt nur drei Minuten lang. Unterhalten können wir uns ein andermal, dazu lade ich dich demnächst zum Mittagessen ein, ich bringe dich in ein sensationelles neues Lokal, du wirst begeistert sein, da wimmelt es von Leuten, die gerade erst aus dem Bett kommen. Die frühstücken gar nicht erst, du kennst das ja.« – Für ihn hieß ›Leute‹ wichtige Leute, die einzigen, die ihn interessierten. Er verwendete abgeschmackte Ausdrücke wie ›die Besten der Besten‹ oder noch schlimmer ›die Crème de la crème‹, ›die oberen Zehntausend‹ und ›der Jet-set‹; er sprach von ›big names‹ und von ›hochkarätigen Persönlichkeiten‹ und behauptete, an Wochenenden sei er ›unplugged‹ (so redete er wohlgemerkt, wenn er Spanisch sprach). Vielleicht würde er es mit seiner Mischung aus Kriecherei und Abfälligkeit ziemlich weit bringen, aber er würde nie etwas anderes sein als ein Bauerntölpel von Welt. Des weiteren rief er ›Gülden!‹, sooft ihm etwas großartig oder als Trouvaille erschien, er hatte den Ausdruck ›oro‹ bei einer italienischen Freundin gehört und fand ihn hochoriginell. »Sobald wir hier fertig sind (zwei Minuten, mehr nicht), möchte ich, daß du mir das Büro eines deiner Kollegen zeigst, Rafael de la Garza. Er ist derjenige, den ich sehen will, aber ohne daß er mich erwartet.«
    »Und warum hast du dann keinen Termin mit ihm vereinbart?« fragte mich der schnöde Garralde, mehr aus Klatschsucht als um mir Steine in den Weg zu legen. »Er hätte dir doch sicher einen gegeben.«
    »Das glaube ich kaum. Er hat

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