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Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Titel: Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marias
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viel.«
    »Was genau würdest du denn gewinnen?«
    »Vanni Incompara wäre bereit, im Tausch dafür meinem Vater die Schulden zu erlassen. Vollständig.«
    »Im Tausch wofür genau?« Ich benutzte dieselbe Formulierung wie sie. »Womit wäre der Typ zufrieden? Was müßte die Folge sein, worin würde dein Teil bestehen? Und du glaubst ihm?«
    »Ja, darin glaube ich ihm. Er würde nicht zögern, an meinem Vater oder an jedem anderen, der eine Vereinbarung nicht einhält, ein Exempel zu statuieren, aber ich bin sicher, daß es ihm immer lieber ist, wenn er sich das ersparen kann. Es wird ihm nichts ausmachen, nicht an das Geld zu kommen, wenn man ihn mit etwas Passendem entschädigt, Geld hat er schon genug. Er weiß, daß unsere Gruppe über ihn berichten soll. Also, daß Bertie das soll, er ist ja derjenige, der die Anweisungen von oben erhält und die meisten privaten Aufträge. Die von Belang. Ich weiß nicht, wer um einen Bericht über ihn gebeten hat, Incompara hat es mir nicht gesagt, aber das ist uns doch egal, oder? Wir wissen es jedenfalls fast nie. Wer auch immer dahintersteht, für ihn ist es wichtig, daß sie ihm ihr Plazet geben und ihn akzeptieren oder daß er zu Vereinbarungen mit ihnen gelangt oder Geschäfte mit ihnen abschließt oder an ihren Vorhaben beteiligt wird. Er würde mir die Schulden erlassen, wenn es zu diesem Ergebniskommt, das heißt, wenn ihn diese Leute, die ihn jetzt dieser Prüfung unterziehen, nicht zurückweisen, das genügt ihm. Er würde es meinem Eingreifen zuschreiben, meinem Mitwirken, zumindest zu einem ausreichenden Teil, sagt er, er ist bestimmt verunsichert, er wird seine schwachen Seiten kennen und glauben, daß sie für ein geübtes Auge erkennbar sind, so wie es uns allen ergeht, wenn wir wissen, daß wir unter die Lupe genommen werden. Es würde einige Tage dauern, bis wir das Ergebnis erfahren, vielleicht eine Woche, aber in der Zwischenzeit … Schlimmstenfalls würden wir mit einem Aufschub für meinen Vater rechnen können.« Ja, ihr Spanisch war eindeutig literarisch: Auf ›Balken‹ kam sie nicht, wohl aber auf ›ein Exempel statuieren‹, ›ihr Plazet geben‹ oder ›von Belang‹. Sie hatte die Sache zu ihrer eigenen gemacht, sie wollte den Vater so weit wie möglich draußen lassen, ihn sogar aus den Formalitäten raushalten, sie hatte seine Schulden übernommen und sagte deshalb, ›Er würde mir die Schulden erlassen‹ oder ›meine Situation‹ oder ›meine Sache‹. Nicht einmal ›uns‹ und ›unsere‹.
    »Warum bist du so sicher, daß ich die Aufgabe bekomme, diesen Incompara zu deuten? Könntest nicht du an der Reihe sein, und dann hättest du keine Probleme und bräuchtest niemanden um einen Gefallen zu bitten?«
    »Ich arbeite schon ein paar Jahre mit Bertie zusammen«, antwortete sie. »Ich weiß gewöhnlich, wem er welches Subjekt zuteilt, wenn es keine Routinearbeit ist und ich zuvor informiert bin. Wenn es um viel Geld geht oder ein besonderes Taktgefühl erforderlich ist, aus welchem Grund auch immer. Ich weiß nicht, wenn man zum Beispiel die gegenwärtige Braut des Prinzen zu überprüfen hätte (und das wird fällig sein, früher oder später wird das auf uns zukommen), so würde er für die Aufgabe auf mich zurückgreifen. Zu seiner Unterstützung, also als zweite, kontrastierende Meinung, denn in diesem Fall würde er die Aufgabe natürlich nicht delegieren. Er folgt außerdem einem ausgeklügelten System, in dem wir nach unseren Charaktermerkmalen zum Einsatz kommen. Sehr strikt ist es nicht, aber diesem System und meinen Berechnungen nach bist du an der Reihe. Was könnte ich mehr wünschen, als für Incompara eingeteilt zu werden, schön wär’s. Wenn ich mich irre und es dazu kommt, kannst du sicher sein, daß ich mich als erste freue, mehr als du und mehr als er, mehr als irgendwer sonst. Es würde mir die Dinge erleichtern, mir wäre es lieber, nicht von dir abhängig zu sein. Dich nicht damit zu belästigen, dich nicht mit hineinzuziehen. Ich habe lange gezögert, bevor ich mit meiner Bitte zu dir gekommen bin. Ich habe die ganzen letzten Tage gezögert, und jetzt während des Spaziergangs war ich mehr als einmal kurz davor, umzukehren und nach Hause zu gehen. Was ich nicht tun kann, ist, mich selbst anzubieten oder Bereitschaft zu zeigen, ein bestimmtes Subjekt zu übernehmen, Bertie würde sich sofort nach dem Warum fragen, und er würde mich danach fragen, und Argwohn würde in ihm erwachen, er flieht ihn nicht und lullt

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