Dein ist die Rache
auftaucht. Sie ist etwa im selben Alter wie Hepburn und physisch beinahe ebenso eindrucksvoll wie McAvoy. Sie ist gut einen Meter achtzig groß und hat breite Schultern. Ihre Haare sind eine Collage verschiedener Schattierungen von Blond und zu einem stufigen, nackenlangen Bob geschnitten, der in McAvoys unerfahrenen Augen teuer aussieht. Sie trägt eine weiße Bluse und abgeschnittene Hosen, High Heels mit Plateausohlen. Sie reicht McAvoy ein flauschiges gelbes Handtuch, das er dankbar entgegennimmt, um sich Gesicht und Hände abzutrocknen.
Anschließend bemüht er sich, seine Locken zu glätten, und ist dankbar dafür, dass er dem großen Spiegel an der einen Wand nicht gegenübersitzt.
»Paula«, sagt Hepburn zu der Frau, »das ist …« Er verzieht fragend das Gesicht. »Haben Sie sich eigentlich schon vorgestellt?«
»Detective Sergeant McAvoy«, sagt er und wird verlegen, weil seine Stimme sich überschlägt.
»McAvoy«, sagt Hepburn nachdenklich. Schnalzt mit den Fingern, als könne er den Namen plötzlich einordnen. »In der Tat. Das ist Paula.«
»Wie geht es Ihnen?«, fragt McAvoy und streckt ihr die Hand entgegen.
Paula nickt kurz. Zieht mit einem Blick auf Hepburn die Augenbraue hoch.
»Kaffee«, sagt sie, und es klingt nicht wie eine Frage. Sie kehrt ihnen den Rücken. Überlässt den Männern das Feld.
»Also«, sagt Hepburn. »Was kann ich für Sie tun?«
McAvoy merkt, dass er die Lippen zusammengepresst hat. Holt Luft.
»Herr Stadtrat, vielleicht sollte ich lieber nicht hier sein, aber heute wurden mir Informationen bekannt, die darauf hindeuten, dass Sie Opfer einer Art journalistischen Kampagne mit dem Ziel sind, Sie zu diskreditieren.«
Er hält inne. Hepburn reißt die Augen auf, und das verschmitzte Lächeln in seinem Gesicht scheint noch breiter zu werden.
»Ehrlich? Was Sie nicht sagen!«
»Ich sprach mit dem Reporter einer landesweiten Zeitschrift in einer anderen Angelegenheit. Er informierte mich über eine geplante Story, die kriminelle Beziehungen aus Ihrer Vergangenheit unter die Lupe nehmen soll.«
Hepburn stößt einen Pfiff aus.
»Sonst noch etwas?«
»Es wurde angedeutet, dass Ihr Nachtclub mit Drogengeld finanziert wurde.«
Hepburn lacht jetzt ganz unverhohlen. McAvoy wird übel.
»Stadtrat Hepburn?«
Der andere Mann hievt sich von der Couch. Richtet sich auf und grinst breit. »Und Sie kommen damit zu mir, weil …?«
McAvoy gestattet sich einen verblüfften Blick. Die Antwort sollte auf der Hand liegen. »Weil das nicht in Ordnung ist.«
Hepburn kriegt sich wieder ein. »Aber Sie kennen mich doch gar nicht«, sagt er, wobei er McAvoy direkt ansieht. »Es wird ständig Mist über alle möglichen Leute verbreitet. Ich wurde von Leuten gewählt, die entweder um Mitternacht Freibier haben wollten oder denen der Gedanke gefiel, Labour eins auszuwischen. Ehrlich, Sergeant, eine weitere Geschichte über mich als bösen Buben wird mich nicht ruinieren. Könnte sogar gute Publicity sein. Kommen Sie, wo ist der Hintergedanke?«
McAvoy spürt, wie ihm das Blut in die Wangen steigt. Er hat nicht erwartet, dass seine Integrität in Frage gestellt würde. Ärgert sich, dass er so einfach zu durchschauen ist. Hat Angst davor, was es über ihn aussagt, dass er so leicht als Lügner zu entlarven ist.
»Na, kommen Sie, Sergeant«, wiederholt Hepburn.
McAvoy begegnet Hepburns Blick. Es liegt eine grimmige Intelligenz in diesen blauen Augen. Er erinnert sich an die Fernsehauftritte. Die Schlagfertigkeit und die scharfe Zunge. Begreift, dass es ein Fehler war, hier so unvorbereitet und tollpatschig hereinzuplatzen.
»Simon Appleyard«, sprudelt es aus ihm heraus, und dann kann er gerade noch verhindern, sich die rechte Hand in einem kindischen Anfall von Verlegenheit vor den Mund zu schlagen.
Hepburns Augen verengen sich. »Und wer soll das sein?«
»Simon Appleyard wurde letztes Jahr in seiner Wohnung erhängt aufgefunden. Wir haben die Ermittlungen zu den Umständen seines Todes wieder aufgenommen. Ich untersuche die Telefonnummern aus seinem Handy. Ihre befand sich darunter.«
Hepburn zuckt die Achseln. Es ist keine unfreundliche Geste. »Tut mir leid, aber ich glaube wirklich nicht, dass ich den Namen kenne. Ich bin eine Figur des öffentlichen Lebens. Ich führe einen Club. Meine Telefonnummer wechselt ziemlich oft …«
»Es geht um das Telefon, das Ihnen als Stadtrat zur Verfügung gestellt wurde.«
»Ah«, grinst Hepburn. »Richtig. Das hatte ich ungefähr
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