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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sich mit der Linken den Rücken rieb:
    »Mensch! Was hast Du gewagt! Soll ich Dich um ein Haupt kürzer machen? Ich werde die ganze Gemeinde gegen Dich hetzen und Dich von ihr zerreißen lassen!«
    Halef nickte lachend. Er wollte Etwas antworten, kam aber nicht dazu, denn ein Mann drängte sich durch das Publikum und wendete sich mit der barschen Frage an mich:
    »Was geht hier vor? Wer seid Ihr?«
    Jedenfalls hatte ich den hohen Herrn Ortsvorsteher vor mir, dennoch fragte ich:
    »Wer bist denn Du?«
    »Ich bin der Kiaja dieses Dorfes. Wer gibt Euch das Recht, Euch an meinem Khawassen zu vergreifen?«
    »Sein Verhalten gibt uns das Recht.«
    »Wie so?«
    »Ich forderte Auskunft von ihm, und er verweigerte sie mir. Er verlangt, daß ich ihm eine jede Antwort einzeln bezahle.«
    »Er kann seine Antworten verkaufen, so theuer er nur immer will.«
    »Und ich kann sie bezahlen, so hoch es mir beliebt. Jetzt hat er den Lohn voraus, und nun wird er mir antworten müssen.«
    »Kein Wort!« rief der Wächter.
    »Kein Wort wird er antworten,« bestätigte der Kiaja. »Ihr habt Euch an meinem Diener vergriffen. Folgt mir augenblicklich! Ich werde die Sache untersuchen, und Ihr sollt Eure Strafe finden!«
    Da zeigte der kleine Hadschi die Peitsche und fragte:
    »Effendi, soll ich diesem Kiaja von Bu-kiöj diese schöne Haut des Nilpferdes auch zu kosten geben?«
    »Jetzt nicht, vielleicht aber später,« antwortete ich.
    »Was, Hund, mich willst Du peitschen lassen?« schrie der Ortsvorsteher.
    »Vielleicht ja,« antwortete ich ruhig. »Du bist der Kiaja dieses Dorfes; aber weißt Du denn, wer und was ich bin?«
    Er antwortete nicht. Meine Frage schien ihm höchst ungelegen zu kommen. Ich fuhr fort:
    »Du hast diesen Mann Deinen Khawassen genannt?«
    »Ja, er ist es.«
    »Nein, er ist es nicht. Wo ist er geboren?«
    »Hier.«
    »Ah so! Von wem ist er zu Dir abkommandirt worden? Er ist ein Einwohner dieses Ortes, und Du hast ihn zu Deinem Diener gemacht; aber ein Polizeisoldat ist er nicht. Da, siehe Dir einmal diese drei Reiter an, welche die Uniform des Großherrn tragen! Du hast einen Nachtwächter; ich aber habe drei wirkliche Khawassen bei mir. Ahnst Du nun, daß ich ein ganz anderer Mann bin, als Du?«
    Um meinen Worten mehr Nachdruck zu geben, fuchtelte Halef ihm so vor dem Gesicht herum, daß er aus Angst zurück wich. Auch die hinter ihm stehenden Personen zogen sich zurück. Ich merkte diesen vielen Gesichtern an, daß sie begannen, mich für einen hohen Herrn zu halten.
    »Nun, antworte!« befahl ich.
    »Herr, sage zuvor, wer Du bist!« bat er.
    Da fuhr Halef ihn an:
    »Mensch! Wurm! Wie kannst Du verlangen, daß ein solcher Herr Dir sage, wer er ist? Aber ich will Dir in Gnaden mittheilen, daß Du vor dem hohen und edlen Hadschi Effendi Kara Ben Nemsi Bey stehst, dem Allah noch viele tausend Sommer geben möge, die Winter gar nicht mitgezählt. Ich hoffe, daß Du schon von ihm gehört hast!«
    »Nein, nie!« betheuerte der eingeschüchterte Mann sehr der Wahrheit gemäß.
    »Was? Nie?« donnerte der Kleine ihn an. »Soll ich etwa Dein Gehirn so lange zusammendrücken lassen, bis der richtige Gedanke hervorgebracht wird. Denke nach!«
    »Ja, ich habe von ihm gehört,« bekannte der Kiaja in heller Angst.
    »Etwa nur einmal?«
    »Nein, sehr viele, viele Male!«
    »Das ist Dein Glück, Kiaja! Ich hätte Dich gefangen genommen und nach Stambul geschickt, um Dich im Bosporus ersäufen zu lassen! Nun aber höre, was dieser erhabene Effendi und Emir Dir zu sagen hat!«
    Bei diesen Worten drängte er sein Pferd von dem Bedrohten zurück. Seine Augen blitzten noch immer in scheinbarem Zorn, aber um seine Lippen zuckte es verrätherisch. Der brave Hadschi mußte sich alle Mühe geben, um nicht in ein lautes Lachen auszubrechen.
    Aller Augen hingen jetzt an meinem Munde. Ich sagte zu dem Kiaja in beruhigendem Tone:
    »Ich bin nicht gekommen, Euch Übles zu erweisen; aber ich bin gewöhnt, meine Fragen gehorsam und augenblicklich beantwortet zu sehen. Dieser Mann weigerte sich, mir freiwillig Auskunft zu ertheilen; er wollte Geld erpressen; darum habe ich ihn züchtigen lassen. Es soll auf ihn selbst ankommen, ob er vielleicht gar noch die Bastonnade empfängt!«
    Während ich mich dem Nachtwächter zuwendete, gab der Ortsvorsteher diesem ein hastiges Zeichen und raunte ihm zu:
    »Um Allah’s willen, antworte schnell!«
    Der nächtliche Beschützer der Unterthanen des Padischah warf sich in eine so stramme Haltung, als ob er in

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