Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
direkt von Allah’s Thron.«
Er schnitt mir nach längerer Wahl zwei der Blüthen ab und reichte sie mir über den Zaun herüber.
»Hier, Fremdling!« sagte er. »Einen einzigen Duft nur gibt es, welcher über denjenigen dieser Rose geht.«
»Welcher ist das?«
»Der Duft des Tütün dschebeli.«
»Kennst Du denn diesen Duft?«
»Nein; aber ich hörte davon sprechen und ihn rühmen als den herrlichsten der Wohlgerüche. Allah hat uns nicht erlaubt, ihn kennen zu lernen. Wir rauchen hier nur Tütün mysr bughdajy.«
»Hascha! Scheni! – Gott bewahre! Abscheulich!«
Er nickte mit dem Kopfe und erklärte:
»Ja, wir sind arm, sehr arm. Ich bin ein alter Rosenhüter und muß die Blätter des Maises in den Tabak schneiden.«
»Und doch ist Euer Rosenöl so theuer!«
»Sus ol – sei still! Wir wären wohl nicht so arm; aber die Babi humajun, die Babi humajun! Die steht stets offen für das, was hineinfließen soll. Die Paschas und Minister können wohl Dschebeli rauchen. Wenn ich ihn doch nur einmal riechen dürfte, nur riechen!«
»Hast Du denn eine Tabakspfeife?«
»O Allah! Ich werde doch wohl einen Tschibuk haben!«
»Nun, so komm einmal her!«
Ich nahm mein Bast-Etui aus der Satteltasche und öffnete es. Der Alte war so zutraulich gegen mich; ich mußte ihm eine Freude machen. Seine Augen waren mit Begierde auf das Etui gerichtet.
»Ein Dscheb tütünün!« sagte er. »Nicht wahr, es ist Tabak darin?«
»Ja. Du hast mir zwei Deiner köstlichen Rosen geschenkt; ich werde Dir dafür von meinem Tabak geben.«
»O Effendi, wie gütig Du bist!«
Ich hatte zwei oder drei Briefcouverts bei mir. Ich füllte eins davon mit Tabak und gab es ihm. Er hielt es an die Nase, roch daran, zog die Brauen hoch empor und sagte:
»Das ist kein Maistabak!«
»Nein, sondern es ist Dschebeli.«
»Dschebeli!« rief er aus. »Effendi, sagst Du mir auch die Wahrheit?«
»Ja. Ich täusche Dich nicht.«
»So bist Du nicht ein Effendi, sondern ein Pascha oder gar ein Nazyr. Nicht?«
»Nein, mein Freund. Der Dschebeli wird nicht nur an der hohen Pforte geraucht. Ich war da, wo er wächst.«
»Du Glücklicher! Aber ein hoher Herr bist Du doch!«
»Nein. Ich bin ein armer Müellif; aber die hohe Pforte hat mir doch ein wenig Dschebeli gelassen.«
»Und von dem Wenigen gibst Du mir! Allah offenbare Dir ein Jazyssy, für welches Dir Dein Basmadschy die Schätze Indien’s bezahlt! Aus welchem Lande bist Du?«
»Aus Nemtsche memleketi.«
»Ist es das, welches wir auch Alemanja nennen?«
»Ja.«
»Ich habe noch keinen Nemtsche gesehen. Sind die Eurigen alle so gut, wie Du?«
»Ich hoffe, daß sie so sind, wie Du und ich.«
»Und was thust Du hier im Osmanly memleketi? Wo willst Du hin?«
»Nach Mastanly.«
»Da bist Du doch vom Wege ab. Du mußt nach Geren, um von da zunächst nach Derekiöj zu kommen.«
»Ich bin mit Absicht von diesem Wege abgewichen. Ich will in möglichst gerader Linie nach Mastanly reiten.«
»Das ist für einen Fremden schwer, sehr schwer.«
»Kannst Du mir nicht vielleicht den Weg beschreiben?«
»Ich werde es versuchen. Da blicke einmal gegen schenubi garb hinüber. Wo jetzt die Sonne auf die Höhen fällt, das sind die Berge von Mastanly. Nun weißt Du die Richtung. Du kommst durch viele Dörfer, auch durch Koschikawak. Dort mußt Du über den Burgasfluß, und dann liegt Mastanly grad im Westen. Deutlicher kann ich es Dir nicht sagen. Morgen Abend wirst Du dort sein.«
Das war spaßhaft. Ich fragte lächelnd:
»Du bist wohl kein Reiter?«
»Nein.«
»Nun, ich will heute auf alle Fälle bis Koschikawak kommen.«
»Unmöglich! Kannst Du hexen?«
»Nein; aber mein Pferd läuft wie der Wind.«
»Ich habe gehört, daß es so schnelle Pferde geben soll. Du willst also diese Nacht in Koschikawak bleiben?«
»Wahrscheinlich.«
»Das freut mich sehr. Du sollst nicht einen Chan aufsuchen, denn am Eingang des Ortes wohnt mein Bruder, Schimin, der Demirdschi, welcher Dich mit Freuden aufnehmen wird.«
Vielleicht konnte dieses Anerbieten mir von Nutzen sein. Darum antwortete ich:
»Ich danke Dir! Ich werde Deinen Bruder wenigstens im Vorüberreiten von Dir grüßen.«
»Nein, nicht so! Du mußt wirklich bei ihm bleiben. Du hast mir von Deinem – w’Allah! Welch ein Duft! Wie aus der Kaaba der heiligen Stadt Mekka!«
Er hatte nämlich, während wir sprachen, eine kurze Pfeife hervorgezogen und sie gestopft. Jetzt sog er den ersten Rauch durch das Rohr und brach dabei in den Ausruf des
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