Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Garten hatte sich ein lauter Pfiff hören lassen, welcher jetzt wiederholt wurde.
»Mein Herr ruft,« fuhr er fort. »Ich muß zu ihm. Hast Du Dir Alles gemerkt, was ich Dir gesagt habe?«
»Alles.«
»Nun, so vergiß es nicht unterwegs. Allah sei bei Dir und gebe Dir die Erlaubniß, den schönen Frauen Deines Vaterlandes die Düfte meines Gartens zu bringen!«
Noch ehe ich antworten konnte, hatte er sich von dem Zaune entfernt, und im nächsten Augenblick war das Geräusch seiner Schritte nicht mehr zu hören.
Konnte ich das Begegnen mit dem Gartenaufseher ein für mich glückliches nennen? Ein unglückliches jedenfalls nicht. Beruhte das, was er mir von dem Papiere der Sicherheit gesagt hatte, auf Wahrheit? Wie ein Lügner hatte er nicht ausgesehen. Auf alle Fälle war es gut, seinen Bruder aufzusuchen, dessen Schmiede höchst wahrscheinlich an dem Wege lag, den nicht nurmeine Begleiter, sondern auch der Reiter, welchem ich die Richtung verlegen wollte, einschlagen mußten.
Ich ritt weiter. Mein Pferd hatte sich während des Gespräches verschnauft und konnte nun desto besser ausgreifen.
Wollte ich mich in gerader Linie halten, so mußte ich über Höhen hinweg, welche jedenfalls große Schwierigkeiten boten. Darum beschloß ich, mich lieber möglichst am Fuße derselben zu halten.
Von dem Plateau Tokatschyk kommend, sucht der Burgasfluß in ziemlich grad nördlicher Richtung die Arda zu gewinnen, welcher er bei Ada seine Wasser zuführt. An diesem kleinen Flusse liegt Koschikawak. Der stumpfe Winkel, welchen er mit der Arda bildet, schließt eine Niederung ein, welche nach Süden zu immer höher emporsteigt und dann in die Hochebene von Taschlyk übergeht. Diese Höhe wollte ich vermeiden.
Es gelang mir dies, obgleich ich die Gegend nicht kannte, keine eigentlichen Wege fand und mehrere Flüßchen, welche der Arda von links her zuströmten, überschreiten oder vielmehr durchschwimmen mußte.
Die Sonne hatte sich immer mehr gesenkt und war sodann hinter den fernen Bergen verschwunden. Ich konnte auf eine nur kurze Dämmerung rechnen und ließ den Rappen galoppiren, bis ich abermals an ein ziemlich breites Wasser kam und da bemerkte ich, daß unterhalb meines Haltortes eine Brücke über dasselbe führte.
Ich ritt zu ihr hin und fand eine Straße. Als ich über die Brücke gekommen war, fand ich – zum ersten Male in der Türkei einen Wegweiser. Er bestand aus einem Felsstück, welches aus der Erde ragte und auf das man mit Kalk zwei Worte geschrieben hatte.
Hätte ich die Bedeutung oder vielmehr den Zweck dieses Steines nicht errathen, so wäre ich von dem ersten der beiden Wörter »Kylawuz« eines Genauen unterrichtet worden, denn dieses Wort heißt eben Wegweiser.
Das andere Wort aber lautete >Dere Kiöj<. Daß dieses ein Dorf bedeute, das wußte ich; wo aber lag es? Der Wegweiser war da; das Wort stand auf demselben; aber leider war der Stein oben abgeplattet, und auf dieser horizontalen Abplattung standen die beiden Worte.
Grad aus führte das Ding, welches ich soeben Straße genannt habe, und nach rechts hin, dem Wasser entlang, führte ein eben solches Ding. Welches dieser beiden >Dinge< aber ging nach Dere Kiöj? Welchen Nutzen also brachte mir dieser >erste< Wegweiser?
Ich überlegte, daß der Wasserlauf, an welchem ich mich befand, der Burgas wohl nicht sein könne, und daß, folgte ich ihm, ich zu weit nördlich kommen würde. Daher beschloß ich, grad aus zu reiten.
Es wurde mittlerweile ganz dunkel. Ich sah gar nicht, ob mein Pferd das >Ding< noch unter den Hufen habe, wußte aber, daß ich mich auf meinen Rappen verlassen konnte.
So war ich wohl gegen eine halbe Stunde weiter getrabt, als das Pferd unter leisem Schnauben den Kopf auf und nieder bewegte.
Ich strengte meine Augen an und bemerkte rechts von mir einen breiten, dunklen Gegenstand, von welchem aus eine Erhöhung gegen den düsteren Himmel strebte. Es war ein Haus mit einem hohen Schornstein.
Sollte dies die gesuchte Schmiede sein? Dann befand ich mich ja ganz in der Nähe von Koschikawak, welches ich suchte.
Ich ritt näher an das Haus heran.
»Bana bak – hört!« rief ich.
Niemand antwortete.
»Sawul, alargha – holla, aufgeschaut!«
Es blieb ruhig. Auch bemerkte ich kein Licht. Sollte das Haus unbewohnt, vielleicht eine Ruine sein?
Ich stieg vom Pferde und führte es ganz an das Mauerwerk heran. Rih begann, wieder zu schnauben. Das kam mir verdächtig vor. Trotzdem er ein Araber war, hatte er doch von mir eine
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