Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
überwinden. Du solltest dich freuen, wenn dir die Schwierigkeit der Prüfung sagt, welch großes Vertrauen der Vater in dich setzt.
Mach dir die große Wahrheit klar:
Nur Menschen rechnen nach dem Jahr,
jedoch vor Gott gibt’s keine Zeit;
du lebst schon in der Ewigkeit.
Glaube ja nicht, daß sich Gottes Allmacht bei deiner Erschaffung mehr angestrengt habe als bei der des unscheinbaren Wurmes.
Die Welt nimmt immer Miene und Gebaren dessen an, den sie umgarnen und betören will: sie spielt mit dem Spieler, trinkt mit dem Trinker, forscht mit dem Forscher und – beugt die Knie mit dem Beter.
Das Raubtier im Menschen wagt erst dann den Sprung auf Fremde, wenn es sich im eigenen Lager groß und stark gefressen hat.
Alles Große wirkt still, bescheiden und geheim; was Aufsehen erregt, betrachte mit Mißtrauen.
Das Leben ist ein immerwährendes Streben. Hört dieses Streben auf, so ist das Leben zu Ende, auch wenn der Puls mechanisch weiterschlägt.
Borgen bringt Sorgen, und du hütest dich weitestgehend, es zu tun; aber den großen Gläubiger der Menschheit borgst du täglich aufs neue an ohne zu fragen, wieviel du ihm bereits schuldest und ob du es jemals wirst bezahlen können.
Bevor du einen Menschen beneidest, frage dich, ob du wirklich von ganzem Herzen und in jeder Beziehung an seiner Stelle sein möchtest!
Wie du einen Raum niemals absolut, sondern nur relativ luftleer machen kannst, so wird es auch den Kolbenstößen des Schicksals nie gelingen, einem Herzen die Liebe völlig zu entziehen.
Die Lebensverhältnisse haben auf die Erziehung des Menschen mehr Einfluß als Eltern und Lehrer. Verachte darum keinen Gestrauchelten, denn die Umstände, deren Opfer er wurde, hast auch du als Teil des Ganzen mit zustande gebracht.
Von drei Dingen ist dein Leben abhängig: vom Einfluß des Guten, vom Einfluß des Bösen und von der Entscheidung dessen, der zwischen beiden wählen muß; der bist du selber. Dein Weg führt zum Licht oder in die Finsternis, je nach dem Einfluß, von dem du dich hast führen lassen.
Dringt die Kunst in das Innere ihres Gegenstandes ein, so verschwindet dessen undurchsichtige Oberfläche wie bei einem Diamanten, der sich unter den Händen des Schleifers befindet.
Mancher schämt sich, Gott zu verehren; daß er aber vor sich selber im Staube liegt, dessen schämt er sich nicht.
Den Mörder des Leibes richtet man hin; den Mörder der Seele aber preist man als großen Philosophen. Den einen führt man zum Schafott, den andern zum Katheder, damit er noch tausend andre totschlagen möge.
In dem Augenblick, da der Mensch einen seiner Fehler erkennt, ist er nicht mehr identisch mit ihm; der Fehler ist zum Objekt geworden, und die Verantwortlichkeit des Subjekts beginnt.
Sachbüche r
Der Altmarkt im sächsischen Hohenstein-Ernstthal, dem Geburtort Karl Mays
May, c. 1907
Bete und arbeite!
Kürzer als mit diesen beiden Worten kann die Aufgabe des Menschen nicht bezeichnet werden. Ein Kind Gottes, der ihn durch seinen Hauch belebte, und doch ein Sohn der Erde, die ihn trägt und von der er in tausenderlei Beziehungen abhängig ist, hat er seine Thätigkeit nach zwei vollständig entgegengesetzten Richtungen zu äußern.
Um den Anforderungen des gegenwärtigen Lebens gerecht zu werden, muß er den alten Fluch »Im Schweiße Deines Angesichtes sollst Du Dein Brod essen« auf sich nehmen und mit allen ihm verliehenen geistigen und körperlichen Fähigkeiten die Last desselben tragen. Thut er das, so wird er auch den Segen empfinden, in welchen sich dieser Fluch bei rechtschaffener Pflichterfüllung verwandelt.
Und erblickt er in dieser Verwandlung das liebevolle Walten einer väterlichen Hand, die ihn hält und durch das Leben leitet, so giebt er auch gern der Ueberzeugung Raum, daß sie ihn weder fallen lassen werde noch könne, wenn der Tag der irdischen Wanderschaft sich einst zu Ende neigt. Der Tod bringt ihm nicht Vernichtung sondern Verwandlung, und mit ruhelosem Forschen sucht er den Schleier zu lüften, welcher zwischen Diesseits und Jenseits, zwischen hier und dort seine Falten schlägt.
Je erfolgloser dieses Forschen ist, desto mehr fühlt er seine Nichtigkeit gegenüber der Macht, welche ihn ins Dasein rief. Er kann ihr Nichts vorschreiben, Nichts befehlen; er darf nicht fordern und verlangen, sondern nur bitten und flehen und ist für jede Erfüllung seiner Wünsche das Opfer kindlichen Dankes schuldig
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