Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
vor. Auf dem Sofatische stand eine Marmorschale mit Weinlaub und Erdbeeren darin und daneben ein Schmuckständerchen, das hier wie zufällig oder vielleicht auch in der Hast einer etwas zu spät beendeten Toilette stehengeblieben war. Ein Kettenarmband lag auf dem Tische daneben, an dem Ständerchen selbst aber hing ein einfaches, nur aus zwei Golddrähten zusammengelegtes Ringelchen, das statt eines Steins nichts als eine Goldplatte mit einem emaillierten Vergißmeinnicht zeigte.
Der Graf hing eben noch seinen Betrachtungen über das Ringelchen nach, das augenscheinlich ein Geschenk aus der Schul- oder Konfirmandenzeit her war, als Franziska durch eine Seitentür eintrat und ihn, unter Ausdruck ihres Bedauerns über eine Verspätung auf der Probe, mit leichter Handbewegung aufforderte, seinen Platz auf dem Fauteuil wieder einzunehmen.
Er seinerseits hatte sich einige Worte zurechtgelegt, Worte, darin sich der »Graf« und der »Liebhaber« ziemlich genau die Waage hielten. Aber ihr Erscheinen änderte sofort seinen Entschluß und ließ ihn umgekehrt empfinden, daß es geraten sein würde, das erste Wort ihr zu lassen.
Auch Franziska schien es von dieser Seite her anzusehen und das »erste Wort« als ihr gutes Recht in Anspruch zu nehmen. Sie sagte deshalb, während sie sich auf das Sofa niederließ: »Ihr Vertrauen zu meinen Erzählungskünsten, Graf…«
Er drohte scherzhaft mit dem Finger, aber Franziska ließ sich nicht stören und fuhr in leichtem und beinahe übermütigem Tone fort:
»Ja, Graf, wir Frauen bleiben immer dieselben und wollen schließlich um unseres Ichs willen adoriert werden. Und nur um unseres Ichs willen. Darin bin ich wie andere. Statt dessen erscheint Graf Petöfy mit einem allerschmeichelhaftesten Antrage, der aber alles Schmeichelhaften unerachtet doch schließlich auf nichts anderes hinausläuft als darauf, eine Märchenerzählerin, eine Redefrau haben zu wollen, etwa wie Louis Napoleon einen Redeminister hatte. Werbung um eine Plaudertasche. Vielleicht der einzige Fall in der Weltgeschichte, die nach dem Maße meiner allerdings vorwiegend aus dem historischen Lustspiel herstammenden Geschichtskenntnis immer nur das Umgekehrte zu verzeichnen hatte. Nämlich: mulier taceat…«
»… in ecclesia«, lachte der Graf. »Und zwar nur in ecclesia. Sie dürfen nicht halb zitieren, Franziska. Gleichviel indes, ich weiß nun alles; Sie würden anders zu mir sprechen, wenn Sie vorhätten, mir mit einem ›Nein‹ entgegenzutreten. Ich bin unendlich glücklich darüber, und wenn Sie das Ohr für die Stimme des Herzens haben – und Sie haben dies Ohr –, so wird es Ihnen auch gesagt haben, daß ich, um Ihre Worte zu wiederholen, keine Redefrau, keine Plaudertasche will, die mir Geschichten erzählt und mich abwechselnd durch Drolerien und Anekdoten unterhält. Allerdings will ich unterhalten sein, aber auch das Unterhaltlichste, das Beste, das Sie mir aus Ihrer Gabe Fülle zu bieten imstande sind, wenn ich es loslöste von Ihnen, von Ihrer Person, so wäre das Beste das Beste nicht mehr. Der Zauber Ihrer Rede sind schließlich doch Sie selbst. Und so komme ich denn noch einmal mit diesen meinen ausgestreckten Händen und bitte Sie, dem, was mir vom Leben noch bleibt, einen Inhalt und mit dem Inhalt einen Glanz, ein Glück und eine Freude geben zu wollen.«
Es schien, daß Franziska nach einer Antwort suchte, der alte Graf aber fuhr fort:
»Ich lese deutlich, was in Ihrer Seele vorgeht. ›O dieser Selbstling, der im Grunde nur einen gefälligen Ton für sein Ohr oder ein sich einschmeichelndes Bild für sein Auge sucht und doch zugleich einen Lebenseinsatz fordert, ein Leben und ein Herz.‹ Aber nein, Franziska, kein Herz oder doch nicht das, was die Welt, die Jugend, ein Herz zu nennen beliebt. Ein anderes, das nichts weiter bedeutet als Sympathie. Meine Wünsche, dessen bin ich gewiß, halten sich innerhalb des Erfüllbaren. Worauf bin ich aus? Ich kann keine trüben Gesichter sehen und liebe Licht und Lachen und Esprit und Witz. Das ist alles, und nur darauf bin ich aus. In meiner Jugend galt ein Champagnerleben als ein Ideal. Aber auch das ist mir zu schwer. Es gibt eine Luft, unter deren Einatmung die Freude kommt und heitere Bilder aus der Seele sprießen. Nach der Luft dürst’ ich, und ich habe sie, wenn ich in Ihrer Nähe bin. Um diese Nähe werb’ ich, Franziska, nicht um mehr. Sie sollen frei sein und die Grenzen Ihrer Freiheit selber ziehen; Ihr feiner Sinn ist mir Bürge,
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