Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
daß Sie sie richtig ziehen werden.«
Franziska lächelte leise vor sich hin, und eine Verlegenheit, die sie, während sie sich ähnlicher Worte der Gräfin erinnerte, wenigstens momentan beschlichen hatte, fiel rasch wieder von ihr ab. »Ich glaube, Graf«, sagte sie, mit Geflissentlichkeit einen halb scherzhaften Ton anschlagend, »Sie verkennen mein Geschlecht. Ich sehe Schwierigkeiten, aber ich sehe sie nicht da, wo Sie sie sehen. Unser Erbteil ist Neugier, nichts weiter, und was sich aus der ewig beargwohnten Welt der Gefühle mit einmischt, das wiegt nach meiner Erfahrung nicht allzu schwer. Ich kenne die Skala dieser Gefühle, habe die Mittelgrade selbst durchmessen und bin ohne rechten Glauben an die Hoch- und Siedegrade der Leidenschaft. Also nicht das, Graf… Und auch nicht die Kunst. Es gab freilich einmal eine Zeit, in der ich ehrlich und aufrichtig des Glaubens war, ohne Kunst nicht leben zu können. Aber das liegt hinter mir. Um in diesem Glauben zu verharren, dazu muß man eine Törin oder ein Genie sein. Und ich bin weder das eine noch das andere.«
»Und doch…«
»Nein, kein ›doch‹; nur einfach ein Geständnis meiner Furcht. Ich fürchte mich vor dem kleinen Kriege, der meiner harrt, vor dem Neid auf der einen und dem Hochmut auf der andere Seite, vor den Kränkungen und Nadelstichen, die mir nicht erspart bleiben werden.«
»Und ich meinerseits wüßte niemand, der sich zu diesen Nadelstichen versucht fühlen könnte, niemand. Und kämen sie doch, nun, so gibt es Mittel, ihnen zu begegnen. Das mag meine Sorge sein. Frisch auf denn, Franziska, Mut und Hoffnung! In mein altes Schloß Arpa soll wieder das Leben einziehen, und das Ungarn der Wirklichkeit soll Sie das Ungarn Ihrer Kinderphantasie, so denk’ ich, für immer vergessen lassen.«
Zwölftes Kapitel
Als der Graf sich erhoben und in herzlicher Weise verabschiedet hatte, trat Franziska vom Sofa her ans Fenster. Die frisch eindringende Luft tat ihr wohl, und sie setzte sich an die Brüstung und sah auf das Straßentreiben. Aber an ihrem inneren Auge zogen sehr andere Bilder vorüber: ein Schloß und ein See, Freitreppen und Korridore, Jagdzüge, Wald und Steppen und dazu Kavaliere mit ihren Damen, die flüsterten und kicherten. Und ihre Blicke maßen sich, und sie begegnete dem Hochmut, den man für sie hatte, mit gleich hochmütiger Miene.
Sie hing solchen Bildern noch nach, als Hannah von der Tür her auf sie zukam, ihr zutraulich das Haar zurückstrich und dann sagte: »So soll es nun also doch sein.«
»Hast du gehorcht?«
»Nein. Ich horche nie. Mein Vater selig litt es nicht und sagte, das sei von den kleinen Sünden eine der großen. Was nicht für einen gesprochen wird, das darf man auch nicht hören und wissen wollen. Ich sah den Grafen, als er ging, und las es ihm von der Stirn.«
»Und was sagst du?«
»Ja, Fränzl, was soll ich sagen?«
»Alles, was du denkst.«
»Nun, ich denke vielerlei.«
»Halte mit nichts zurück. Daß du’s nicht billigst, das seh’ ich, und so kannst du gleich mit dem ›Warum‹ anfangen. Oder sind der Gründe so viele?«
»Ja, viele sind es, Fränzl.«
»Offen gestanden, das ist mir lieb; denn viele sind nicht so schlimm wie einer. Viele bringen sich untereinander um, und was dann übrigbleibt, bedeutet nicht viel. Also nenne sie nur; je mehr, je besser.«
»Er ist alt und du bist jung.«
»Gut.«
»Er ist ungrisch-wienerisch und du bist preußisch-pommerisch.«
»Gut.«
»Er ist katholisch und du bist protestantisch.«
»Gut.«
»Er ist ein Graf und du bist eine Schauspielerin.«
Franziska nickte. »Wohl, Hannah, alles wahr. Aber zuletzt trifft doch das zu, was ich dir eben schon gesagt habe. Sage selbst. Er ist gerade Wiener genug, um den Katholiken, und auch wieder Ungar genug, um den Wiener in Ordnung zu halten. Und so bleibt denn wirklich nichts übrig als ein alter Graf und eine junge Schauspielerin.«
»Und glaubst du, daß die gut zueinander passen?«
»Ich will es nicht als Regel aufstellen. Aber es gibt Ausnahmen, und unter den Ausnahmen ist es eine der gewöhnlichsten und der zulässigsten. Und erklärt sich auch. Im allgemeinen, darin hast du ja recht, gehört zu einem Grafen eine Gräfin; wer wollte das bestreiten? Aber wenn es keine Gräfin sein kann, so kommt nach der Gräfin gleich die Schauspielerin, weil sie, dir darf ich das sagen, der Gräfin am nächsten steht. Denn worauf kommt es in der sogenannten Oberschicht an? Doch immer nur darauf, daß man
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