Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
das Feld, und in der Mitte sprang eine Festung in die Luft.
»Zriny«, sagte sie lächelnd. Aber mit diesem Zrinybilde, mit dem das Türkische begann, schloß es auch wieder, und was weiter kam, waren neuere Schlachten, die nicht weiter zurückgingen als bis Groß-Aspern oder Marengo. Sie sah flüchtig drüber hin und sammelte sich erst wieder, als sie bei dem letzten angekommen war, auf dem sich zwei feindliche Heere gegenüberstanden, von denen das eine, so schien es, eben die Waffen gestreckt hatte. Die Waffen lagen aber nicht am Boden, sondern waren zu Pyramiden zusammengestellt, an denen bunt und malerisch Tschakos, Säbel und Patrontaschen hingen. Im Vordergrunde blickten einige der gefangenen Führer finster schmerzlich zur Erde, während sich auf den Gesichtern der Soldaten abwechselnd Wut und Verzweiflung spiegelten. Was war es? Auch hier fehlte das Täfelchen, aber in dem Rahmen selbst war eingeschrieben: »Vilagos, 13. August 1849.«
Siebenzehntes Kapitel
Diese Kapitulation von Vilagos war augenscheinlich das beste Galeriebild, aber sich in dem, was Porträt darauf war, zurechtzufinden, wollte Franziska trotz aller Anstrengung nicht gelingen. Und so sah sie sich schließlich doch gezwungen, Toldy heranzuwinken. Für diesen ein lang ersehnter Moment.
»Ich finde mich nicht zurecht, Toldy«, sagte sie. »Hier links, soviel erkenn’ ich an den grünen Uniformen, ist alles russisch, und das hier seid ihr. Aber ich kenne niemand. Wer ist der hier, der Graubart?«
»Ist Kiß; General.«
»Tot?«
»Tot. Piff, paff!« Und er hob beide Arme wie zum Gewehranschlag.
»Und der hier?«
»Ist Nagy Sandor; General.«
»Tot?«
»Tot.« Aber statt der Bewegung des Gewehranschlages machte er jetzt die des Gehenktwerdens. »Und«, fuhr er nunmehr, ohne weitere Fragen abzuwarten, in immer lebhafter werdendem Tempo fort, »hier Leiningen, General; tot. Und hier Aulich, General; tot. Und hier Rüdiger, General, aber russischer General. Und hier Görgey, Hund.«
»Das darfst du nicht sagen, Toldy.«
»Darf ich sagen, Gräfin gnädigste. Görgey Verräter, und Verräter… Hund.« Und dabei funkelten ihm die alten Augen, und ein ungrisch unverständlicher Redestrom kam von seinen Lippen, dem Franziska nichtsdestoweniger mit Hülfe zahlreich eingestreuter Namen entnehmen konnte, daß vom Grafen Ludwig Batthiany, ganz besonders aber von den Galgenexekutionen vor Arad die Rede war.
Als er endlich schwieg, dankte sie dem Alten, ohne seinen Haß gegen Österreich und Görgey noch irgendwie weiter rektifizieren zu wollen, und verließ den Bildersaal, um unter Vermeidung der Wendeltreppe durch das Billardzimmer in ihre Wohnräume zurückzukehren.
Als sie diese betrat, heimelte sie das überaus Behagliche darin an, aber die Fahrt und mehr noch die Galerie hatten sie müde gemacht, und so streckte sie sich auf eine dem Fenster gegenüberstehende Chaiselongue und schlief ein.
Als sie wieder erwachte, stand Hannah in der Tür.
»Ich wollte dich nicht stören, denn du brauchst Schlaf; aber der Graf schickt eben schon zum zweiten Male: Die Herren würden zu Tische bleiben. Er erwartet dich also.«
Franziska fühlte sich wenig angenehm von dieser Meldung berührt und erschrak fast. Es war ihr nicht zu Sinn, eine Konversation mit ungrischen Edelleuten zu führen, mit Kavalieren, deren Ton und Ausdrucksweise sie von ihren Wiener Tagen her nur zu gut kannte. Mit wachem Auge weiterzuträumen, wäre ihr das ungleich Liebere gewesen. Es galt aber, sich dieser Stimmung so rasch wie möglich zu entreißen, und so setzte sie sich an den Spiegel, um ihrer Toilette den Abschluß zu geben.
»Gib mir noch das venetianische Kollier, Hannah; ich glaube, der Graf freut sich, wenn ich es trage. So. Und nun noch den Fächer. Ach, Hannah, ich wollte, ich säß’ erst wieder an diesem Tisch hier und hätte nichts um mich und nichts über mir als die Mutter Gottes und den kleinen Christus, der mir den Rosenkranz entgegenhält. Ich wollt’ ihn lieber zwölfmal abbeten als von Oberst Szabô zwölf Artigkeiten hören. Ich empfinde doch nur Gêne dabei.«
»Sei nur erst im Feuer, so kommt dir der Mut. Es ist gerade wie beim Theater.«
»Ja, du hast recht, ganz so. Sie sind auch wirklich nur gekommen, mich als Gräfin auftreten zu sehen. Und haben nebenher noch das Vergnügen, selbst mitspielen zu dürfen.«
Vorstellung und Begegnung waren ganz so verlaufen, wie Hannah prophezeit hatte. Nach Überwindung einer ersten Scheu war Franziska
Weitere Kostenlose Bücher