Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
rückte ungeduldig auf dem Stuhle hin und her.
»Sechs oder sieben Jahre zu hungern, Mr. Warden, wäre freilich etwas Außerordentliches«, sagte Snitchey. »Sie könnten mit der Zeit allein dadurch, daß Sie sich ausstellen ließen, ein neues Grundstück verdienen. Aber wir glauben nicht, daß Sie dies vermöchten, und raten es Ihnen daher auch nicht.«
»Was raten Sie mir dann also?«
»Einschränkung«, wiederholte Snitchey. »Ein paar Jahre Einschränkung unter unserer Geschäftsaufsicht würde Sie wieder auf die Beine bringen. Aber dann müßten Sie ins Ausland gehen. Was das Darben angeht, so könnten wir Ihnen selbst jetzt schon ein paar hundert Pfund abgeben, Mr. Warden.«
»Ein paar hundert Pfund?« sagte der Klient. »Und ich habe Tausende benötigt!«
»Daran«, entgegnete Mr. Snitchey und legte die Papiere sorgfältig in den eisernen Kasten, »daran ist gar kein Zweifel. Gar kein Zweifel«, wiederholte er langsam, indessen er seine Tätigkeit nachdenklich fortsetzte.
Der Anwalt kannte sicherlich seinen Mann; jedenfalls hatte seine trockene und humorvolle Manier einen günstigen Eindruck auf die Niedergeschlagenheit des Klienten hervorgerufen und veranlaßte ihn, offen und mitteilsamer zu sein. Oder vielleicht wußte der Klient Bescheid über seinen Mann und hatte die ermutigenden Angebote nur herausgelockt, um einen Schachzug, den er enthüllen wollte, besser verteidigen zu können. Er erhob jetzt langsam den Kopf und schaute seine erhabenen Ratgeber mit einem Lächeln an, aus dem bald ein Lachen wurde.
»Im Grunde, mein verehrter Freund « Mr. Snitchey wies auf seinen Kompagnon: »Snitchey und entschuldigen Sie Craggs.«
»Ich bitte Mr. Craggs um Verzeihung«, sagte der Klient. »Im Grunde aber, meine verehrten Freunde«, er beugte sich dabei vor und ließ die Stimme fallen, »wissen Sie noch gar nicht, wie schlimm es mit mir steht.«
Mr. Snitchey blickte ihn ganz erstaunt und erschreckt an. Mr. Craggs musterte ihn mit denselben Blicken.
»Ich bin nicht nur schrecklich verschuldet«, sagte der Klient, »sondern auch schrecklich «
»Doch nicht verliebt?« schrie Snitchey.
»Ja!« sagte der Klient, indem er auf den Stuhl zurücksank und die beiden Anwälte ansah. Die Hände hatte er dabei in die Taschen gesteckt. »Schrecklich verliebt.«
»Und nicht in eine Erbin?« fragte Snitchey.
»Nicht in eine Erbin.«
»Auch nicht in eine reiche Dame?« forschte der Anwalt weiter.
»Nicht reich, soweit ich weiß außer an Schönheit und Vorzügen des Charakters.«
»Hoffentlich eine unverheiratete Dame?« sagte Mr. Snitchey mit großem Nachdruck.
»Selbstverständlich!«
»Nicht in eine von Doktor Jeddlers Töchtern?« sagte Snitchey, und stützte die Ellbogen auf die Knie, wobei er sein Gesicht mindestens einen halben Meter vorschob.
»Doch!« entgegnete der Klient.
»Nicht in seine jüngere Tochter?« fragte Snitchey.
»Doch!« war die Antwort Mr. Wardens.
»Mr. Craggs«, sagte Snitchey erleichtert, »wollen Sie mir eine Prise gestatten? Danke bestens! Es freut mich, Ihnen sagen zu können, Mr. Warden, daß das nichts schadet; sie ist schon verlobt, Sir, sie ist Braut. Mein Kompagnon kann das bezeugen. Wir sind über die Angelegenheit informiert.«
»Wir sind über die Angelegenheit informiert«, wiederholte Craggs.
»Was macht das? Sie wollen Männer von Lebenserfahrung sein und hätten nie gehört, daß ein Weib ihren Sinn geändert hätte?«
»Es sind allerdings Klagen wegen Brechens von Eheversprechen vorgekommen«, sagte Mr. Snitchey, »sowohl gegen Jungfrauen, wie gegen Witwen, indessen in den meisten Affären «
»Affären !« unterbrach ihn der Klient ungeduldig. »Reden Sie mir nichts von Affären. Das Leben ist ein viel stärkeres und inhaltreicheres Buch als Ihre juristischen Bände. Und im übrigen: glauben Sie vielleicht, ich hätte umsonst sechs Wochen lang in dem Haus des Doktors mich aufgehalten?«
»Ich glaube, Sir«, bemerkte Mr. Snitchey und wandte sich ernst an seinen Sozius, »ich bin der Ansicht, daß von allen Streichen, die Mr. Warden von seinen Rennpferden gespielt worden sind und sie waren ziemlich zahlreich und ziemlich kostspielig, wie er und wir beide am besten wissen der schlimmste der war, daß ihn eins von ihnen mit drei gebrochenen Rippen, einem ausgerenkten Schulterblatt und der Himmel weiß, mit wie viel Beulen an der Gartenmauer des Doktors zurückgelassen hat. Damals, als wir ihn unter des Doktors Obhut und Dach gesunden sahen, ahnten wir so
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