Den Löwen Zum Frass
meinen Hals zu schützen. Dann wurde ich umgeworfen. Das gewaltige Gewicht, das nur aus nassem Fell, Zähnen und Fauchen zu bestehen schien, stieß mich wie eine Stoffpuppe zur Seite. Ich roch den fauligen Atem, schnappte nach Luft und knallte gegen die Wand. Ich muss direkt auf einem der Abzugsrohre gelandet sein. Zuerst spürte ich nichts, dann merkte ich, dass mein nackter Arm vom Handgelenk bis zum Saum meines Tunikaärmels verbrannt war.
Leute rannten auf die Leopardin zu, energische Gestalten, die auf den feuchten Fliesen rutschten, aber wussten, was sie taten. Wieder wirbelte ein Netz durch die Luft, öffnete sich und fiel. Männer hielten die Katze mit langen, eisenbewehrten Stangen zu Boden. Scharfe Befehle ertönten, dann beruhigendes Gemurmel für das Tier. Ein Käfig wurde hereingebracht und rasch über die zappelnde Katze geschoben. Sie war immer noch wütend und voller Furcht, aber sie wusste, dass diese Leute sie unter Kontrolle hatten. Was auch ich mit Erleichterung bemerkte.
»Geh aus dem Weg, Falco!« Der barsche Befehl kam von der großen, wohlgeformten Frau, die das erste Netz geworfen und mich gerettet hatte. Keine Stimme, mit der man sich anlegt. Keine Frau, der man krumm kam. Ich hatte schon mit ihr zu tun gehabt, aber das schien eine Ewigkeit her, und damals waren wir in Syrien. Ihr Name war Thalia. »Mach Platz für die Experten ...«
Sie packte mich an dem verbrannten Arm. Schmerz durchzuckte mich, und ich schrie unwillkürlich auf. Sie ließ los, nur um mich umso fester an der Schulter zu fassen. Wie ein Betrunkener, der von einem besonders erfahrenen Rausschmeißer an die Luft gesetzt wird, ließ ich mich aus dem Dampfbad führen und lehnte mich an die Flurwand. Schweiß lief in Bächen an mir hinunter, und ich hielt meinen rechten Arm weit vom Körper weg. Ob ich jemals wieder in Ruhe atmen konnte, war noch die Frage.
Meine Retterin drehte sich um und vergewisserte sich, dass die Leopardin sicher im Käfig untergebracht war. »Sie ist drin. Du hättest wirklich warten können, Liebling. Typisch Mann, will immer alles alleine machen.« Das war anzüglich gemeint. Mir schien es das Beste, die Kritik zu akzeptieren, sowohl in sachlicher als auch in sexueller Hinsicht. Sie hatte immer anzügliche Bemerkungen gemacht, und ich hatte stets so getan, als würde ich sie nicht hören. Ich sagte mir, dass mir nichts passieren würde, weil die Dame sehr an Helena hing. Sollte sie beschließen, mich flachzulegen, war ich nicht in der Verfassung, mich zu wehren.
Ich kannte Thalia inzwischen seit einigen Jahren. Angeblich waren wir Freunde. Ich behandelte sie mit nervösem Respekt. Sie arbeitete im Circus, gewöhnlich mit Schlangen. Eine Frau, die man als »sta- tuesk« beschreiben konnte - womit ich keine Skulptur einer zarten Nymphe mit süßlichem Lächeln und jungfräulichen Attributen meine. Und sie hatte den passenden Charakter dazu. Ich glaubte, dass ich sie mochte. Das schien mir die ungefährlichste Einstellung.
Wie gewöhnlich trug Thalia ein Bühnenkostüm, das nur das Nötigste verdeckte, absichtlich so geschnitten, um Anstoß bei den Prüden zu erregen. Zur Verstärkung des Eindrucks hatte sie Stiefel mit Plateausohlen angezogen, auf denen sie schwankte, und um ihren Arm wanden sich Armbänder wie Ankerketten eines Kriegsschiffes. Ihr Haar war zu einem Turmbau aufgesteckt, den sie wochenlang nicht demontiert haben konnte. Ich schwöre, dass ich einen ausgestopften Finken zwischen den vielen Kämmen und Haarnadeln sah.
Sie schleppte mich in das Kaltbad, drückte mich neben dem tropfenden Becken auf die Knie und tauchte meinen Arm unter Wasser, bis hinauf zur Schulter, damit die Hitze aus der Brandwunde wich. »Lieg still.«
»Ich wette, das sagst du zu allen Männer, die du in die Finger kriegst ...« Das war ein furchterregender Gedanke, wie auch Thalia wusste.
»Halt dich an meinen Rat, oder du hast morgen
Fieber und bist fürs Leben entstellt. Ich geb dir eine Salbe, Falco.«
»Lieber würde ich mit dir plaudern.«
»Du kriegst, was gut für dich ist.«
»Was immer du sagst, Prinzessin.«
Schließlich durfte ich aufstehen. Als ich mich demütig von ihr durch die Thermen führen ließ, be- gegneten wir einem Mann, der eine Peitsche und einen langbeinigen Hocker trug. »Ooh, sieh mal!«, rief sie sarkastisch. »Da ist der kleine Junge, der Löwenbändiger werden will, wenn er erwachsen ist!« Der Mann schaute ziemlich verlegen.
Thalias Opfer war ein großer, breitschultriger,
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