Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
der nachmalige k. k. Leib-chirurgus v. Herbek^*'), ein als Arzt und Mensch gleich schätzbarer Mann, erschien sogleich, erklärte meinen Zustand für entzündlich und nicht ohne Gefahr. Denselben Tag kam er noch dreimal, um nachzusehen, man wendete mit Sorgfalt und Liebe alle verordneten Mittel an, und nach einigen Tagen konnte ich bereits das Bett verlassen. Doch zeigte sich von jener Zeit an öfters eine große Reizbarkeit der Eingeweide, und ich mußte mich vor Verkühlung sehr in Acht nehmen.
Im folgenden Karneval, dem ersten, den ich als vermählte Frau zubrachte, und mich sehr wohl unter-hielt, fing ich an, die ersten Anzeichen einer sehr er-
196
-'x^si^:t.jiiä
wünschten Veränderung zu bemerken, und die Hoff-nung bestätigte sich immer mehr, daß ich wahrschein-Hch bis zum Herbst das Glück Mutter zu sein genießen würde. Von diesem Augenbhcke an beobachtete ich mich sorgfältig, tanzte nicht mehr so viel, und befand mich übrigens sehr wohl.
Öftere kleine Unbehaglichkeiten waren alles, was ich in den ersten Monaten von diesem Zustand zu leiden hatte, und meine gesunde, kräftige Natur bew^ährte sich auch hierin. Desto ängstlicher wurde mir diese Zeit durch politische Vorgänge und Schrecken. Die französische Armee unter General Bonaparte rückte aus Italien immer näher heran, eine Schlacht nach der andern ging für uns verloren, und die Feinde standen endlich im März bereits in der Ö;^eiermark. Ein allge-meiner Schrecken bemächtigte sich der ganzen Haupt-stadt. Die wilden Scharen der jungen Republik hatten in Deutschland und Italien auf eine Art gehaust, daß alles vor ihnen zitterte und an Flucht, Rettung und möglichste Verteidigung dachte. Dazumal erfuhren die Wiener zum- erstenmal die Schrecken, welche einer Invasion vorausgehen, sie sollten jene noch einmal füh-. len, bis endlich die Wirklichkeit ebenfalls zweimal im Jahre 1805 und 1809 eintraf, und uns lehrte, was bei so vielen großen Übeln der Fall ist, daß Erwartung, Angst und aufgereizte Phantasie uns das wirkliche Unglück ungebührend vergrößern, daß die Furcht etwas An-steckendes hat, daß sie sehr oft die Vernunft ausschließt, und daß die böse Wirklichkeit leichter zu ertragen ist, als die grundlosen Schreckbilder, welche die Angst in uns aufregt.
^ Was wurde damals im Frühlinge 1797 nicht alles er-zälilt, gefürchtet und mit dem verkehrtesten Sinn ent-
werfen und ausgeführt! Alles wollte fliehen; alles nur fort, nur fort aus der, von allen möglichen Schrecken bedrohten Stadt!? Wie schlecht die Wege, wie schwer die Pferde zu haben, wie elend die Unterkunft auf den überfüllten Poststraßen nach Böhmen und Ungarn sein mochten; was den Geflüchteten an den, zum Auf-enthalte erwählten Orten bevorstehen konnte, wenn der Sieger seine Eroberungen verfolgen, sie vielleicht auch von jenen Zufluchtsstätten vertreiben würde, und sich dann ohne Geld, ohne Schutz, unter Fremden befänden, — das alles wurde nicht bedacht. Man wollte nur fort, und die unsinnigsten Erzählungen fan-den Glauben, wenn sie zu der ruhelosen Angst stimm-ten, die damals die Bevölkerung von Wien großenteils ergriffen hatte. Wir haben in unserer Zeit bei der ersten Annäherung der Cholera eine zweite Erfahrung dieser Art gemacht, und auch sonst sehr vernünftige Menschen kopflos, verderblich und oft lächerlich han-deln gesehen, wenn es anders erlaubt wäre, über etwas, was andere quält, zu lachen ^*^*).
Indessen muß man zur Entschuldigung der damals Lebenden auch sagen, daß die Sachen um uns herum ernst und drohend aussahen. Es wurden Anstalten zur Verteidigung der Stadt gemacht, und im Anfange davon gesprochen, die Linien zu verteidigen. Als aber erfahrene Militärs aussprachen, daß, um diesen weiten Umkreis zu beschirmen, eine Besatzung von 150000 Mann nötig sein würde, so gab man den Plan auf und wollte sich auf die innere Stadt, die eigentliche Fe-stung beschränken. Ein Aufgebot aller waffenfähigen Mannschaft in der Stadt und den Vorstädten wurde beschlossen, und diese dazu in verschiedene -Bezirke eingeteilt. Die Jüngern Beamten der Landesregierung
wurden zur Organisation dieser Scharen verwendet, und auch meinem Mann ein Bezirk, nämlich die Jäger-zeile, angewiesene*^)..Während alles dies uns in steter ängstlicher Bewegung aufregte, erhielt mein Vater Befehl, sich mit den Zöglingen des k. k. Theresianums, dessen Oberleitung ihm damals anvertraut war, von Wien wegzubegeben, um die Söhne der angesehenen Häuser, die sich
Weitere Kostenlose Bücher