Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
ihnen schöpfte ich den nächsten Trost, daß es ihm wohl ging und er gesund war; aus ihnen auch den entferntem, daß sich Friedensgerüchte in Wien zu verbreiten anfingen, und General Bonaparte, der mit seinen sieggewohnten Scharen bis Leoben ge-drungen war, sich zu friedlichen Unterhandlungen ge-neigt zeige und man hoffen dürfe, die Präliminarien bald abgeschlossen zu sehen. Das war eine freudige
Botschaft für alle; aber vielleicht unter unserer Ge-sellschaft für niemand mehr als für mich; denn nie-man von uns hatte etwas so Liebes in Wien zurückge-lassen als ich.
Wirklich kam die Nachricht von diesem Abschluß der Präliminarien bald mit Zuverlässigkeit, und ein Brief meines, nun auch schon lange verstorbenen Schwagers Schweiger^^2), der damals Konsistorialkanzler des Bi-schofs von Leoben war, meldete uns noch die genauem Details und manchen interessanten Zug von dem ju-gendlichen Helden, dessen Ruhmes-Morgenröte eben über Europa zu leuchten begann, und der den Lorbeer, welcher damals seine Schläfe schmückte, noch mit kei-ner Ungerechtigkeit und Gewalttat befleckt hatte. Überhaupt hatte er sich in Leoben und Goß (dem eigentlichen Sitze des Bischofs) viele geneigte Herzen erworben und ein rühmliches Andenken an seine Ge-genwart hinterlassen, das noch lange zu seinen Gunsten nachwirkte. Der Bischof (ein Graf von Engl 3^3) emp-fing ihn bei seiner Ankunft ehrfurchts-, aber auch angst-voll; Kränklichkeit und Alter hatten dem Greise nicht erlaubt, sich, wie es andere getan, vor der Ankunft der Franzosen zu entfernen. Bonaparte begrüßte ihn mit Anstand und der freundlichen Bemerkung, daß er sich sehr freue, ihn auf seinem Bischofssitze anzutreffen; er sei wirklich der einzige seiner Kollegen, den er bis jetzt zu Hause gefunden. Auch entsprach das nach-folgende Betragen des jungen Helden ganz diesem ersten Anfange; denn er benahm sich mit beinahe kind-licher Schonung gegen den Greis, und ritt nie aus oder kam nie nach Hause, ohne seinen Wirt ehrerbietig zu begrüßen 354).
In einem Pavillon des Schlosses Goß, in der Nähe von
Leoben, der als ein neutraler Ort erklärt wurde, ver-sammelten sich die Abgesandten unsers Kaisers und die 3 französischen Machthaber, die Präliminarien wurden unterzeichnet, und die Tinte, welche dazu gebraucht worden war, nach einer sonderbaren Etikette, sodann auf den Boden geschüttet, wo man mir nach acht Jah-ren, als ich dahin kam, noch das schwarze Mal zeigte 2^^.
Es war also, wenigstens für jetzt, Waffenruhe, Wien hatte nichts von der Annäherung der Feinde zu fürch-ten, welche sich bald darauf aus Steiermark zurück-zogen, und wir durften mit den, meines Vaters Obhut anvertrauten jungen Leuten wieder nach der Residenz zurückkehren. Nun war ich wieder glücklich; wir brachen auch bald auf, und mit Entzücken umarmte ich meinen Mann, der uns, von unserm Eintreffen benach-richtigt, schon jenseits der Donau in den Auen ent-gegen kam. Freudig kehrten wir in unsere kleine, heim-liche Wohnung zurück, aber eine neue Sorge begann sogleich, denn Marie, die Braut meines Bruders, welche uns nach Dürnholz begleitet hatte, befand sich schon den Abend vor unserer Abreise unwohl, kam noch viel kränker hier an und lag mehrere Wochen hindurch an einem bedeutenden hitzigen Fieber darnieder.
Die militärischen Vorkehrungen, welche schon vor unserer Abreise begonnen, waren während derselben fortgesetzt worden, indem wirklich einige ausgezeich-nete Militärs (unter andern General Mack) an die Mög-lichkeit einer dauernden Verteidigung geglaubt hatten, und ein gewisser General Zopf oder Zapf 2^^, der mit dem Kommando in der Stadt beauftragt war, sich ge-äußert hatte, er werde die Wiener schon lehren, Pferde- ' fleisch essen; die Stadt trug wirklich bei unserer Zurück-kunft noch manche Spuren dieser Anstalten und sah
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etwas verändert aus. Aber bald verschwand dieser fremdartige Schein, der denn auch, nach der Meinung aller vernünftigen, vorurteilslosen Menschen, nur ein Schein war, und keine Realität und Dauer haben konnte, wenn es wirklich zu einer Belagerung oder nur zu einer kurzen Verteidigung kam, wie es die Erfahrung im Jahre 1809 bewies. Am 17. April vvoirde das ganze Wiener Aufgebot, welches ziemlich zahlreich, und, wie man allgemein bemerkte, von einem guten Geiste be-seelt war, auf dem Glacis aufgestellt und feierlich ent-lassen, wobei denn jede Abteilung von ihren Kommis-sären mit einer kleinen Rede haranguiert wurde, und auch Pichler eine recht
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