Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
diesem Behufe einrichten. Da wurde nun täglich nach der Vorschrift eines Herrn von Voght*^^) aus Hamburg, der auch in seiner Vater-stadt ein Beförderer, ja ein Stifter solcher Anstalten war, Rumfordsche Suppe nach den besten Rezepten gekocht, und gegen sehr mäßige Preise von zwei bis drei Kreuzern (Kupfergeld von geringer Valuta) unter die Armen verteilt. M ehr er e*" junge Beamte von Per-gers Bekanntschaft, unter ihnen auch mein Bruder,
» nahmen wechselweise das Geschäft über sich, bei dieser Austeilung gegenwärtig zu sein und über dieselbe die Aufsicht zu führen.
Perger, der uns sonst sehr fleißig, selbst in den rauhesten Winterabenden, besuchte, ja bei stürmischem oder schlechtem Wetter fast unser sicherer Gesell-schafter war, kam nun äußerst selten, und ich schrieb ihm deswegen eine komische Epistel in Knittelreimen, welche also begann:
O du, der jetzt mit kräft'ger Brühe Wiens Leckermäuler täglich speist, Und weder Ungemach noch Mühe, Noch Küchenruß und Arbeit scheu'st,
Wenn durch das Lob von tausend Zungen Dich noch mein Wort erreichen kann, So neig', o hochberühmter Mann, Dein Ohr mir wenig Augenblicke, Und kehre dann ans große Werk zurücke.
Sind denn die stillen Abendstunden, So manche finstre Regennacht, Wo doch dein Herz den Weg zu uns gefunden, Dir ganz aus dem Gemüt verschwunden.'' usw. usw.*^2^
Kurz, ich beklagte mich über seine Vernachlässigung auf eine lustige Weise. Perger las das Gedicht in einer Sitzung des Wohltätigkeitsvereins, es erregte Lachen, und ward, vermutHch durch den Fürsten von Schwar-zenberg selbst, vor die Augen des Kaisers gebracht, dem der heitere Scherz gefiel, wie denn überhaupt alles Gemütliche Anklang in seiner ebenso erhabenen als einfachen Seele fand.
Aber es schien mir, als verdiene diese Erfindung der Rumfordschen Suppe, wenigstens für Länder und
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orte, die mit weniger Fruchtbarkeit und Wohlleben als unser Österreich gesegnet sind, eine ernsthaftere und würdigere Anerkennung. Dies gab mii die Idee zu der Idylle: Die Rumfordsche Suppe, die aber vielleicht nicht halb so viel Aufmerksamkeit erregte als jene ko-mische Epistel *^^.
Indessen, trotz aller aufrichtigen und edlen Bemü-hungen jener Herren vom Wohltätigkeitsvereine, ge-dieh das Suppekochen und Spenden in unserm geseg-neten Wien, wo damals und noch lange nachher der Bürgermeister selbst, sehr bedeutsam, Wohlleben*^*) hieß, nicht recht. Den armem Klassen, so viel sie auch sonst jammerten und schrien, behagte die Nahrung eines bloß aus Erdäpfeln, Graupen und Erbsen gekoch-ten Breies, der nur durch etwas geräuchertes Fleisch eine Annäherung an eine Fleischspeise erhielt, nicht lange. Sie holten keine BiUette auf eine oder mehrere Portionen mehr ab, die man ihnen an Almosen statt hatte austeilen lassen. Das Kochen der Suppe hörte auf, und Rumford *i**) mit allen seinen gutgemeinten Anstalten, seinen gespannten Betten, Brühen, Koch-öfen usw., die gewiß für ärmere Gegenden wohltätig gewesen wären, fand keine entsprechende Aufnahme in dem Lande der Phäaken, wie uns die sehr mäßigen Nord-deutschen nennen, die sich indes, wenn sie in Wien sind, unsere Schnitzel und Rostbratel trefflich schmek-ken lassen, auch ganze Abhandlungen darüber ihren Reisebüchern einverleiben.
Schon damals also zeigte sich, was die neuere Zeit noch viel öfter und auffallender ans Licht stellt, daß es, trotz des Jammerns der niedrigen Klassen, und trotz der menschenfreundlichen Klagen so vieler .wohl-tätigen Seelen, welche jenen alles aufs Wort glauben
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und von Mitgefühl für ihre Not durchdrungen sind, daß diese Not in den allermeisten Fällen nur eine re-lative, nicht absolute war. Wäre wirklich Not im all-gemeinen vorhanden gewesen, wie in der Schweiz und in Hamburg damals, so hätte die Suppe Abnehmer und Liebhaber gefunden. Es gehe jemand an Sonntagen oder Feiertagen ins Lerchenfeld, in den Wurstelprater, nach Hietzing zum Domayer, nach Tivoli, ins Krapfen-waldel usw.; kurz, wo möglich an einem Tage an alle Erlustigungsorte der höheren und besonders der ge-meinen Klassen, und er wird sie alle zum Erdrücken voll finden, er wird diese gemeinern Klassen in An-zügen sehen, die durchaus keine Not auch nur vermuten lassen. Aber in den Briefen eines Verstorbenen"^ steht eine Stelle, welche, wie mich dünkt, ein helles Licht auch auf unsere Bevölkerung und ihre Klagen wirft. Der Verfasser nämlich redet auch von den Klagen des englischen Volkes, von seiner
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