Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
Kämpfe überlebt, aber das Glück ist unbeständig. Du musst Schwert und Speer führen lernen; ich werde dich unterrichten. Haestan hätte es so gewollt, und wir werden auf der langen Reise zum Stein des Abschieds eine Beschäftigung haben.«
»Dann verzeihst du mir?« So viel Gerede von Männlichkeit machte Simon verlegen.
»Wenn ich muss.« Der Rimmersmann setzte sich wieder hin. »Jetzt geh schlafen. Wir haben morgen wieder einen langen Marsch vor uns, und wenn wir dann unser Lager aufgebaut haben, wollen wir beide ein bisschen exerzieren.«
Simon war einigermaßen verärgert, dass man ihn so ins Bett schickte, wollte sich aber nicht wieder auf eine Auseinandersetzung einlassen. Es war ihm schon schwer genug gefallen, sich wieder ans Lagerfeuer zu setzen und mit den anderen zu essen. Er wusste, dass sie ihn beobachteten und sich fragten, ob er wohl einen weiteren Wutanfall haben würde.
Er zog sich auf das Lager zurück, das er sich aus Blättern und federnden Zweigen errichtet hatte, und wickelte sich fest in seinen Mantel. Glücklicher wäre er in einer Höhle gewesen, am liebsten schon unten am Fuß des Berges, wo man dem Wind nicht so schutzlos ausgeliefert war.
Über ihm am Himmel schienen die hellen, kalten Sterne zu beben. Durch unermessliche Fernen sah Simon zu ihnen auf, und in seinem Kopf jagten sich die Gedanken, bis er endlich einschlief.
Das Lied der Trolle, die ihren Widdern etwas vorsangen, weckte Simon aus einem Traum. Er erinnerte sich vage an ein kleines graues Kätzchen und das Gefühl, von irgendetwas oder irgendjemand in die Enge getrieben worden zu sein, aber der Traum verblasste schnell. Er öffnete seine Augen dem matten Morgenlicht und schloss sie gleich wieder. Er hatte keine Lust, aufzustehen und sich dem neuen Tag zu stellen.
Das Singen dauerte an, begleitet vom Klirren des Sattelzeugs. Seit seinem Abschied vom Mintahoq war er so oft Zeuge dieser Zeremonie gewesen, dass er sich alles so genau vorstellen konnte, als stehe er daneben. Die Trolle schnallten die Gurte fest und füllten die Satteltaschen. Mit ihren kehligen, aber hohen Stimmen sangen sie ihr scheinbar endloses Lied. Ab und zu verstummten sie, streichelten ihre Tiere, striegelten die dicken Vliese der Widder und lehnten sich an sie, um ihnen in leisen, innigen Worten etwas zuzusingen, während die Schafe sie mit gelben, längsgespaltenen Augen anblinzelten. Bald würde es gesalzenen Tee, Trockenfleisch und leise, lachende Gespräche geben.
Nur dass sie heute wenig lachen würden, am dritten Morgen nach der Schlacht mit den Riesen oben am Berg. Binabiks Stammesgenossen waren ein fröhliches Volk, aber etwas von dem Frost, der Simons Herz bedeckte, schien auch sie berührt zu haben. Über das Volk, das über die Kälte und die schwindelerregenden, halsbrecherischen Abgründe hinter jeder Krümmung des Weges lachte, hatte sich ein eisiger Schatten gelegt, den sie nicht begreifen konnten – nicht, dass es Simon damit viel besser gegangen wäre.
Simon hatte Binabik die Wahrheit gesagt. Irgendwie hatte er geglaubt, dass alles besser würde, sobald sie erst das Große Schwert Dorn gefunden hätten. Die Macht und Fremdartigkeit der Klinge war so offenkundig, dass es im Kampf gegen König Elias und seinen finsteren Verbündeten einfach neue Hoffnung bieten musste . Aber vielleicht war ein Schwert allein noch nicht genug. Vielleicht würde das, was in dem sonderbaren Gedicht gestanden hatte, erst dann eintreten, wenn alle drei Schwerter wieder vereint waren.
Simon stöhnte. Vielleicht war es auch noch schlimmer, und der komische Vers aus Nisses’ Buch hatte überhaupt keinen Sinn. Hieß es nicht, Nisses sei wahnsinnig gewesen? Selbst Morgenes hatte nicht gewusst, was die Reime wirklich bedeuteten.
Wenn Rauhreif Claves’ Glocke deckt
und Schatten auf der Straße geht,
das Brunnenwasser schwarz sich fleckt:
drei Schwerter müssen dann zurück.
Wenn Bukken kriechen aus der Gruft,
der Hune steigt vom Berg herab,
wenn Alptraum raubt dem Schlaf die Luft:
drei Schwerter müssen dann zurück.
Der Zeiten Nebel zu verwehn,
zu wenden harten Schicksals Schritt –
soll Frühes Spätem widerstehn:
drei Schwerter müssen dann zurück …
Allerdings waren Bukken aus der Gruft gekrochen, aber die Erinnerung an die quiekenden Gräber gehörte nicht zu den Dingen, mit denen sich Simon gern beschäftigte. Seit der Nacht, in der die Bukken Isgrimnurs Lager bei Sankt Hoderund angegriffen hatten, waren Simons Gefühle für den
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