Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Titel: Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
Berge zurückeilen soll, weil ein Küchenjunge Angst hat und nach Hause will?
    Simon starrte in den Spiegel und dachte daran, wie er ihm Miriamel gezeigt hatte. Die Prinzessin hatte auf einem Schiff gestanden und über die Reling zu einem bewölkten Himmel aufgeblickt, einem grauen, bewölkten Himmel …
    Während er in dem nach oben gekehrten Spiegel sein eigenes Gesicht sah, schien es auf einmal, als gewahre er von neuem diesen dunstigen Himmel, als zögen Wolkenfetzen über die Oberfläche des Spiegels und verwischten seine Züge. Nebel schien vor ihm aufzusteigen, und er konnte sich von dem Bild im Spiegel nicht losreißen. Er schwankte, und ihm wurde schwindlig, als falle er in das Bild hinein. Die Geräusche des Lagers wurden leiser und verstummten schließlich, als der Nebel zu einem festen, ausdruckslosen grauen Vorhang wurde. Er umhüllte Simon von allen Seiten und verschlang das Licht.
    Langsam löste der graue Dunst sich auf wie Dampf, der unter einem Topfdeckel hervorquillt. Aber als er sich verzogen hatte, sah Simon, dass das Gesicht vor ihm nicht mehr sein eigenes war. Es gehörte einer Frau, die ihn aus schmalen Augen anstarrte – einer wunderschönen Frau, die zugleich alt war und jung. Die Linien ihres Gesichtes wechselten ständig, als schaute sie durch rinnendes Wasser zu ihm auf. Das Haar unter einem Reif aus juwelengleichen Blumen war weiß; ihr Blick brannte wie geschmolzenes Gold, und die Augen leuchteten hell und nachdenklich wie Katzenaugen. Irgendwie wusste er, dass sie alt war, uralt, aber ihr Gesicht verriet kaum etwas davon, lediglich ein Hauch von Anspannung im Umriss von Kinn und Mund, eine gewisse Sprödigkeit in den Zügen, als straffe sich die Haut allzu fest über die Knochen. Ihre Augen waren herrlich, voll uralten Wissens und weggeschlossener Erinnerung. Die hohen Wangenknochen und die glatte Stirn gaben ihr das Aussehen eines Standbildes.
    Eines Standbildes? Simons Gedanken waren völlig verwirrt, aber er wusste, dass er eine Statue gesehen hatte, die dieser Frau glich … dieses Gesicht … er hatte es gesehen … in … in …
    »Bitte antwortet mir«, sagte sie. »Ich wende mich zum zweiten Mal an euch. Weist mich nicht wieder ab! Vergesst doch, ich bitte euch, den alten Hader, so begründet er auch gewesen sein mag. Zu lange hat Zwietracht geherrscht zwischen unserem Haus und dem Haus von Ruyan Vé . Jetzt haben wir einen gemeinsamen Feind. Ich brauche eure Hilfe!«
    Die Stimme klang schwach in seinem Kopf, als halle sie durch einen langen Gang. Aber trotzdem besaß sie Befehlsgewalt, ähnlich Valada Geloës Stimme, nur tiefer, geschmeidiger, ohne die rauhen, aber tröstlichen Töne der Zauberfrau. Diese Frau unterschied sich von Geloë wie die Waldfrau selbst von Simon.
    »Ich besitze nicht mehr die Kraft von einst«, bat die Frau. » Und das Wenige, das mir geblieben ist, wird gebraucht gegen den Schatten im Norden – von dem ihr wissen müsst. Tinukeda’yei! Kinder des Gartens, antwortet mir!« Mit einem letzten, flehenden Ton verstummte die Frauenstimme. Einen langen Augenblick herrschte Schweigen, aber wenn es eine Antwort gab, so hörte Simon sie nicht. Plötzlich schienen die goldgetupften Augen ihn zum ersten Mal zu bemerken. Sofort nahm die melodische Stimme einen Unterton von Misstrauen und Bestürzung an.
    »Wer ist dort? Ein Kind der Sterblichen!«
    Simon schwieg schreckerstarrt. Das Gesicht im Spiegel sah ihn an. Dann fühlte er, wie sich etwas durch den Nebel nach ihm ausstreckte, eine Kraft, so unbestimmt und zugleich so mächtig wie die hinter Wolken verborgene Sonne. »Sprich. Wer bist du?«
    Simon versuchte zu antworten, nicht weil er es wollte, sondern weil es unmöglich war, sich zu weigern, so zwingend hallten die Worte in seinem Kopf wider. Aber da war etwas, das ihn daran hinderte.
    »Du wanderst auf Pfaden, die nicht für dich bestimmt sind«, fuhr die Stimme fort. »Du hast kein Recht, hier zu sein. Wer bist du?«
    Simon kämpfte, merkte aber, dass etwas seine Antworten erstickte, so entschieden, wie um seinen Hals gelegte Finger gesprochene Worte erstickt hätten. Das Gesicht vor ihm verschwamm zuWellen, durch die ein bleiches, blaues Licht hindurchschien, das das Bild der schönen, alten Frau auflöste. Eine Welle von solcher Kälte durchströmte ihn, dass ihm war, als erstarrte sein innerstes Mark zu schwarzem Eis.
    Eine neue Stimme sprach, rauh und eisig.
    »Wer er ist? Einer, der sich einmischt, Amerasu.«
    Das erste Gesicht war jetzt ganz

Weitere Kostenlose Bücher