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Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Titel: Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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nichts miteinander zu tun hatten, sich allmählich zu einer logischen Story zusammenfügen.«
    Er nickte. »Das leuchtet ein.«
    »Aber meistens erkenne ich, dass ich auf der richtigen Spurbin, wenn irgend so ein Schlägertyp auftaucht und mich einzuschüchtern versucht.«
    »Schlägertyp?«
    »Ja. Ein Vollstrecker. Gorilla. Muskelprotz. Schlagetot. Können Sie mir folgen?«
    Soweit ich sehen konnte, hatte er keine Miene verzogen. Mit zusammengekniffenen Augen sah ich noch mal kurz hin, um sicher zu sein. Sein Gesicht war einfach zu behaart.
    »Ich denke, ich verstehe«, sagte er.
    »Manchmal drohen sie ganz unverhohlen«, fuhr ich fort, um einen unaufgeregten Gesprächstonfall bemüht. »Manchmal kommen sie ganz freundlich oder zumindest höflich daher, schaffen es aber gleichzeitig, in ihren Worten eine unausgesprochene, aber unmissverständliche Einschüchterung durchklingen zu lassen. Manchmal reden sie nicht einmal mit mir, sondern tauchen nur auf und durchbohren mich mit ihrem bösen Blick.«
    Der Russe setzte seinen Kaffeebecher behutsam auf der Untertasse ab.
    »Ich erinnere mich an einen Fall. Jemand hatte ein Mädchen in einer billigen Wohnung in einem heruntergekommenen Stadtteil erdrosselt, und ich hatte einen hochgestellten Berater des Bürgermeisters als Mörder im Verdacht.«
    »Hört sich ganz nach einem Kriminalroman an«, sagte Steinblatt. Seine tonlose Stimme klang ruhig und beherrscht. Er zählte zu denen, die kaum zu durchschauen sind.
    »Ja, ich weiß. Aber diese mächtigen Typen hatten immer ihre Geliebten, und die Geliebten drohten immer damit, es den Ehefrauen zu erzählen, und darum brachten diese Typen immer ihre Geliebten um. Immer wenn wir in eine Wohnung kamen oder in ein Hotelzimmer, in dem ein totes Mädchen lag, wurde sofort jemand abgestellt, der prüfen musste, ob der Bürgermeister ein Alibi hatte.«
    »Und was haben Sie mit dem Politiker gemacht?«
    »Nun, wissen Sie, ich bin ein Mensch von Niveau und Feingefühl, und deswegen hab ich morgens um fünf seine Haustür eingetreten, ihm vor den Augen seiner Kinder Handschellen angelegt und bin mit ihm im Bademantel zum Revier spaziert, so dass die Pressejungs, denen ich einen Tipp gegeben hatte, prima Fotos von ihm machen konnte.«
    Jitzchak ließ sein Grizzlygrinsen aufblitzen. »Das hat ihm nicht gefallen, kann ich mir vorstellen.«
    »Nehm ich auch an«, sagte ich. »Aber da ich keine Beweise hatte, musste ich ihn nach vierundzwanzig Stunden wieder laufen lassen, und noch am selben Nachmittag tauchte draußen vorm Revier ein Brutalinski auf, ein Typ von Ihrem Format. Er sagte kein Wort zu mir, aber wenn er sah, dass ich ihn bemerkte, nickte er nur und ließ die Knöchel knacken.«
    Ich warf einen Blick auf die großen Hände des Russen, die auf einem Küchentisch ruhten.
    »Am nächsten Morgen gönnte ich mir im Coffee Shop einen Kaffee und einen kleinen Turm Pfannkuchen, und da war er wieder, derselbe Typ. Er stand auf der anderen Straßenseite. Und er nickte und ließ die Knöchel knacken. Und als ich Feierabend machte, stand er wieder da, nickend und knackend. Ich ging mit ein paar Kumpels bowlen, und da steht doch dieser Kerl auch vor der Bowlingbahn. Mit seinem gottverdammten Knöchelknacken.«
    »Haben Sie Angst bekommen?«
    »Es war ein bisschen irritierend. Ein paar Tage lang tauchte er überall dort auf, wo ich war. Als ich dann meine Familie zum Essen ausführen wollte und er beim Restaurant auf mich wartete, wo meine Frau und mein Sohn ihn sehen konnten, beschloss ich, dass es mir reichte.«
    »Was haben Sie gemacht?«
    »Ihn erschossen.«
    Ich trank meinen Kaffee aus und knallte den Becher auf den Tisch.
    Der Judenriese zuckte trotz des Lärms mit keiner Wimper, sondern strich sich nur über den Bart. »Gute Geschichte. Danke, dass ich daran teilhaben durfte.«
    »Haben Sie tatsächlich noch nie etwas von Avram Silver gehört?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Okay«, sagte ich. »Warum treffen wir uns nicht heute Nachmittag so gegen vier im Jewish Community Center, damit ich Sie einigen Leuten vorstellen kann.«
    »Das würde mir sehr gefallen.«
    Ich war pünktlich dort und wartete. Er tauchte jedoch nicht auf.

12
    Am späteren Abend fand ich mich im riesigen Auditorium der Einkaufscenterkirche von Lawrence Kind wieder und musste an Jitzchak Steinblatt und seine bedrohlichen Pranken denken.
    Kind war nicht gerade gesprächig. Aber ich konnte es ihm nicht verdenken, denn jemand hatte ihm den Unterkiefer abgehackt und diesen

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