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Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Titel: Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Dinge vergessen«, sagte ich. »Mein Arzt sagt, dass ich eventuell unter Demenz leide.«
    Er sah mich durchdringend an. »Dass Sie alt sind, will ich nicht bestreiten. Aber ich glaube, dass Sie bestimmte Dinge absichtlich vergessen.«
    Er beugte sich mir entgegen, und zwar so weit, dass ich den Kaffeegeruch in seinem Atem wahrnahm. Ich nahm an, dass er hoffte, mich einschüchtern zu können. Ich rülpste ihm laut ins Gesicht.
    »Außerdem sind Sie ein Arsch, und ich kann Sie nicht leiden«, sagte ich.
    Das schien sich leichter mit seiner Weltsicht vereinbaren zu lassen. Er wandte sich ab und wischte mit dem Taschentuch über seine Knollennase. »Na gut«, sagte er. »Glauben Sie, Feely hat das hier getan?«
    Diese Möglichkeit war durchaus erwägenswert. Ich wollte Jennings gerade nahelegen, seine Kriminaltechniker am Tatort nach Knöchelhaaren suchen zu lassen, da kam Tequila ins Auditorium.
    »Was ist denn hier los, Grandpa?«, fragte er. Dann sah er den von innen nach außen gekehrten Kadaver, der früher einmal Lawrence Kind gewesen war. »Ach, du heilige Scheiße, das ist ja krass!«
    »Du solltest doch draußen im Auto warten!«, schrie ich ihn an.
    »Wer, zum Teufel, ist denn das?«, fragte Jennings und deutete auf Tequila. »Detective Jennings, das ist mein Enkel Jameson.«
    »Man nennt mich Tequila«, erklärte Tequila. »Stammt noch aus der Studentenzeit.«
    »Was hat er hier zu suchen?«
    »Jemand musste mich ja wohl herfahren«, klärte ich ihn auf. »Es ist keinesfalls ratsam, einen Mann meines Alters nachts Auto fahren zu lassen.«
    »Wie ist er an meinen Tatort gelangt?«
    »Frage ich mich auch gerade. Sie haben Ihren Laden wohl nicht so richtig im Griff, was?«
    Seine Schnurrbarthaare schienen sich leicht zu sträuben. »Die Halunken in der City Hall kürzen ständig den Etat. Es steht nie genug für Überstunden zur Verfügung, und deswegen hab ich nie genug Männer. Ohne finanzielle Mittel, ohne Leute, die von Türzu Tür gehen und Spuren verfolgen, ohne Sonderschichten im Labor ist es blankes Glück, wenn wir einen Mörder wie diesen erwischen. Sobald aber die Aufklärungsrate bei Mordfällen sinkt, kostet das meinen Arsch.« Er richtete seinen Unmut jetzt wieder gegen Tequila. »Weiß er irgendwas über die Sache hier?«, fragte er und deutete mit einem Wurstfinger in Richtung meines Enkels.
    Ich schüttelte den Kopf. »Er studiert an der NYU. Zurzeit hat er Ferien.«
    »Kann ich irgendwie helfen?«, rief Tequila uns zu. Er stand immer noch auf der anderen Seite des Raums vor lauter Panik, in die Nähe des Podests kommen zu müssen.
    »Geh wieder raus und setz dich ins Auto, wie ich gesagt habe.«
    Widerspruchslos machte sich Tequila davon.
    »Jedes Jahr kürzen sie rigoroser und erwarten gleichzeitig größeren Einsatz«, sagte Jennings. »Und von Jahr zu Jahr verrohen bei uns in Memphis die Sitten immer mehr. Mit Blut und Schweiß sorgen wir dafür, dass der Abschaum hinter Gitter kommt, und das System gewährt diesen Typen für jeden Tag im Gefängnis, an dem sie niemanden abstechen, zwei Tage Straferlass. Wir ziehen diese Dreckskerle aus dem Verkehr, und die lassen sie gleich wieder zur Tür rauslaufen, damit sich auf den Straßen die Leichen und auf meinem Schreibtisch die ungelösten Fälle stapeln.«
    »Für diese Arbeit werden Sie schließlich bezahlt.«
    »Nicht annähernd gut genug. Die Krankenkassenbeiträge bringen mich noch um, die Küche muss renoviert werden, der Bengel braucht eine Privatschule, und mein Bester ist bereits in einem dieser Pflegeheime, die viertausend im Monat kosten. Das Geld aus der Sozialversicherung reicht dafür nicht. Und wenn für tadellose Arbeit kein anständiger Lohn gezahlt wird, wird es verflucht schwer, nicht hinzuschauen und nicht zuzugreifen, wenn jemand versucht, unterm Tisch was rüberzuschieben.«
    »Ich bin heute Abend nicht hergekommen, um etwas über Ihre homosexuellen Aktivitäten zu erfahren, Detective.«
    Er konnte sich ein leichtes Lachen nicht verkneifen. »Ich muss wohl vergessen haben, mit wem ich rede.«
    »Ich hab in letzter Zeit auch einiges vergessen«, sagte ich.
    »Ja, das haben Sie bereits erwähnt.«
    »Sorry. Hab ich vergessen.«
    »Hören Sie auf mit dem Scheiß«, sagte er. Und als ich nicht reagierte, fragte er: »Und was halten Sie eigentlich von diesem Feely?«
    »Er kommt mir zu zartbesaitet vor, um jemanden aufzuschlitzen, aber ich kenne ihn auch nicht gut«, sagte ich. »Ich hab gehört, dass Kind ein Glücksspielproblem

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