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Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Titel: Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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hatte.«
    »Von wem?«
    »Hat er mir gestern Abend selbst erzählt. Er brauchte dringend Geld. Deswegen wollte er ja auch unbedingt erfahren, wie viel Wallace der Kirche hinterlassen hatte.«
    Jennings bedachte mich mit einer hochgezogenen Augenbraue. »Sie wissen mehr, als Sie sagen.«
    »Nichts, woran ich mich erinnere«, erwiderte ich. »Ich hab so ein Gefühl, dass es hier um Spielschulden oder nicht getilgte Kredite gegangen sein könnte.«
    »Wir haben bereits Leute losgeschickt, die sich in den Casinos von Tunica County umhören«, informierte mich Jennings. »Ob Sie’s glauben oder nicht, die Welt steht nicht still, seit Sie sich zur Ruhe gesetzt haben. Wir können auch ohne Buck Schatz Polizeiarbeit leisten.«
    »Warum haben Sie mich dann an diesen Tatort geholt?«
    »Nur aus Jux und Dollerei, Oldtimer.«
    »Habe ich schon erwähnt, dass ich Sie nicht leiden kann?«
    Er lachte. »Ja, aber ich hätte nicht gedacht, dass Sie es auch so meinen.« Er reichte mir eine Visitenkarte. »Da steht die Nummer meines Mobiltelefons drauf, unter der ich jederzeit erreichbar bin. Rufen Sie mich an, wenn sich Ihr Gedächtnis gebessert hat oder Sie allmählich das Gewissen plagt, weil Sie eine Mordermittlung behindern.«

13
    Von der Kirche aus fuhr Tequila mich zum Blue Pate Cafe an der Poplar Avenue in East Memphis. Es war ein gemütlicher kleiner Laden in einem ehemaligen Wohnhaus. Frühstück wurde den ganzen Tag über serviert, und sämtliche Speisen auf der Karte schwammen in Fett. Ich durfte zwar im Restaurant nicht rauchen, aber ich liebte die Milchbrötchen mit Sahnesoße, und Rose verwehrte mir jeglichen Zugang zu Leckereien dieser Art.
    »Als Kind hat mich Dad manchmal mit zur Arbeit genommen. Im Sommer, wenn ich Ferien hatte. Auf dem Weg in die Stadt haben wir hier immer angehalten und Pfannkuchen gegessen«, sagte Tequila. »Seit seinem Tod ist es ein komisches Gefühl, nach Hause zu kommen. Weißt du, wir sprechen nie über meinen Vater.«
    Ich strich mit den Fingern über die Ränder meines Merkhefts. »Was das betrifft, gibt es nichts, was ich dir sagen könnte.«
    »Gestern Abend saß ich im Wohnzimmer und schaute auf seine Uhr an der Wand über dem Kamin. Ich erinnere mich noch, dass er jeden Abend auf die Ottomane stieg und die Uhr mit einem kleinen Schlüssel aufzog. Mom weiß nicht, wie man es macht, und deshalb ist die Uhr stehengeblieben. Sie hängt jetzt nur da.«
    Ich trank einen ausgiebigen Schluck schwarzen Kaffee und stippte einen Biskuit in die Sahnesoße.
    Tequila verschränkte die Arme. »Es ist einfach nicht richtig. Er dürfte nicht tot sein.«
    »Viele Leute dürften nicht tot sein, und sie sind es trotzdem«,sagte ich. »Der Prediger da zum Beispiel hat, soweit ich weiß, nichts getan, weswegen er verdient hätte, so zu sterben.«
    »Verdienst hat nichts damit zu tun«, sagte Tequila.
    »Was?«
    »Egal. Stammt aus einem Film.« Er schwieg einen Augenblick. »Ist jedenfalls grässlich, was da passiert ist.«
    »Zumindest hast du es geschafft, dich nicht zu übergeben.«
    Ich hatte miterlebt, wie viele Soldaten und auch Anfänger bei der Polizei reagierten, wenn sie zum ersten Mal einen aufgeschlitzten menschlichen Leichnam zu Gesicht bekamen, und Tequila hatte sich ziemlich gut gehalten. Die jungen Leute sehen solche Sachen ja auch oft genug im Fernsehen oder in ihren Computerspielen.
    »Was meinst du, wer ihn umgebracht hat, Grandpa?«
    »Weiß ich wirklich nicht.« Ich hatte mir jedoch meine Gedanken gemacht.
    Aller Wahrscheinlichkeit nach war Kind, Spielschulden bis über beide Ohren, mit der Rückzahlung an ziemlich üble Typen in Verzug geraten, und einer von denen hatte an ihm ein Exempel statuiert. Mir waren auf meinem Lebensweg einige hartgesottene Gangster und gemeingefährliche Killer begegnet, aber es bedurfte doch einer erhöhten Kaltschnäuzigkeit, wegen Geld einen Gottesmann in der Kirche zu meucheln. Keine Ausgeburt der Gewalttätigkeit war in Memphis zu rar oder exotisch, aber wir befanden uns doch auch tief im Herzen des Jesus-Landes, und die einheimischen Verbrecher waren mit der Furcht vor dem Zorn Gottes groß geworden.
    Jitzchak Steinblatt gab einen ziemlich guten Verdächtigen ab. Ich hatte ihn erst an diesem Morgen kennengelernt, aber er hätte durchaus schon am Abend zuvor das Haus beobachtet haben können, als der Priester vorbeigekommen war. Wenn die Israelis hinter dem Schatz her waren, wäre ihnen Kinds Einmischung nicht besonders willkommen. Aber ich konnte mir

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