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Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Titel: Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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gesprungen, und Tunica ist meine Stadt.«
    Voller Ingrimm starrte ich ihn an und er starrte zurück.
    »Also, wie wär’s, wenn Sie sich setzen und aufhören, mir mit Ihrem Altmännerstunk die Büroluft zu verpesten.«
    Früher hätte ich sofort eine Retourkutsche auf den Lippen gehabt, aber als ich jetzt dagegenhalten wollte, hatte ich das Gefühl, meine Kehle sei von Wattebäuschchen verstopft. Verfluchte Nebenwirkung all der Pillen, die ich schlucken musste.
    Ich öffnete den Mund und schloss ihn. Ich öffnete ihn wieder, wie ein zappelnder Fisch auf dem Trockenen, aber die einzigen Wörter, die mir in den Sinn kamen, betrafen das, was mein Doktor über Anzeichen kognitiver Beeinträchtigung bei älteren Menschen angemerkt hatte.
    Ich griff instinktiv zu meinem Merkheft, spürte aber das Gewicht meiner Wumme, die sich unter dem Jackett an die Rippen kuschelte, und hatte den plötzlichen und unwiderstehlichen Drang, sie für mich sprechen zu lassen, Pratts vermaledeite Visage zu einem einzigen Kratersalat aus wild wuchernden Zähnen und fiesen Knopfaugen zu machen und den Inhalt seines Schädel an die Betonwand zu pusten. Doch das empfahl sich nicht, sondern würde mehr Probleme verursachen als lösen.
    Also wählte ich den Pfad der Vernunft und versetzte ihm nur einen Stüber auf die Nase. Viel Schmackes steckte nicht dahinter. Das Schultergelenk war anscheinend eingerostet und mein Rücken war auch nicht geschmeidig genug, um das volle Gewicht hinter den Folgeschlag zu setzen. Und mein Trizeps war nicht in der Lage, den Arm vorschnellen zu lassen.
    Er steckte den Schlag weg, als wäre er von einer warmen Frühlingsbrise liebkost worden, und bedachte mich mit einem höhnischen Blick. Sprachlos starrte ich auf meine Faust. Finger und Knöchel schimmerten bereits blauschwarz, und der Handrücken verfärbte sich langsam lila.
    »Haben Sie sich ausgetobt, Mister Buck?«, fragte Pratt.
    Mir fehlten die Worte, aber Tequila durchbrach das Schweigen.
    »Pratt, wir schulden Ihnen absolut nichts. Wir sind keine Abmachung eingegangen, für die Verpflichtungen Mister Kinds aufzukommen, und Mister Kind war an keinem unserer Besitztümer beteiligt. Als Gläubiger können Sie einzig und allein den Nachlass Mister Kinds in Regress nehmen, und das betrachten wir nicht als unsere Angelegenheit.«
    Tequila bediente sich stets einer präzisen Ausdrucksweise in emotionslosem Tonfall. Er hörte sich nicht nach Memphis, aber auch nicht nach New York an. Er klang beinahe arrogant, als sei er sich zu schade, den Eindruck zu erwecken, von einem bestimmten Ort zu stammen. So wie er seine Worte an Pratt richtete, gemahnte sein Auftreten an die Autorität, die ein Psychologe ausstrahlt, wenn er mit einem gestörten Kind spricht.
    Pratt brach den Blickkontakt mit mir ab und grinste Tequila an. »So verhält es sich also?«
    »Ich kann Ihnen nur sagen: Sollten Sie gegen uns vor Gericht gehen wollen, wird es Ihnen nicht gelingen, Schadenersatz zu erwirken. Wir sind nicht verantwortlich für Spielschulden, die jemand bei Ihnen hat.«
    »So.« Pratt nickte. »Dann lassen Sie mich Ihnen was erzählen, Mister New York. Das hier hat mitnichten nix zu tun mit irgendeinem Gericht. Sie befinden sich in diesem Moment in Mississippi, und in dieser Gegend nehmen die Leute alle Ansprüche, die ich habe, ernst. Und wenn es gewisse Pflichten gibt, die sie meiner Ansicht nach zu erfüllen haben, dann kommen sie ihnen nach. Und ob oder wann ich nun vor Gericht gehe, alle Richter in dieser Gegend wissen, wer ihnen die Butter aufs Brötchen schmiert, und ihr Scheißer seid es bestimmt nicht. Ich werde mein Geld bekommen, hast du das verstanden?«
    Ich saß da und bedeutete Tequila, der gerade etwas sagen wollte, still zu sein. Statt mit dieser Mississippi-Sumpfkröte überGesetze zu sprechen, konnte man genauso gut versuchen, einem Pferdehintern das Evangelium zu predigen. Aber mein Enkel hatte mir die kostbaren Sekunden verschafft, die ich brauchte, um meine Senilität abzuschütteln und einen Plan zu fassen.
    »Schön«, sagte ich. Dabei stützte ich meine pochende Hand. »Ich bin zu alt für solchen Firlefanz. Wenn die den Schatz finden, vermache ich Ihnen meinen Anteil.«
    Er reagiert verblüfft. »Wenn wer ihn findet?«
    »Die Israelis.«
    »Welche Israelis?«
    »Wussten Sie das etwa nicht? Sämtliche Besitztümer, die den Juden während des Krieges von den Nazis gestohlen wurden, gehen nach Israel zurück, sobald sie aufgespürt werden. Demjenigen, der sie

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