Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman
dieser Verfassung ist, kann man ihm mit Vernunft nicht mehr beikommen.Wir müssen nur sicherstellen, dass sich jemand um ihn kümmert.«
»Sich darum kümmert, dass ich bald den Weg ins Grab finde! Ich kenn euch doch«, rief ich.
»Wenn Sie ihn an sein Schließfach lassen, wird er sich ganz bestimmt beruhigen«, riet Tequila dem Kassierer.
»Das kann ich nur tun, wenn die Unterschriften übereinstimmen.«
Tequila seufzte. »Hören Sie, jeder kennt doch meinen Großvater. Wie viele neunzigjährige Männer haben denn ihre Schließfächer hier?«
»Ich kenne ihn nicht. Kann er sich irgendwie ausweisen?«
Tequila zeigte dem Kassierer Zieglers Sozial- und Krankenversicherungskarten.
»Kein Führerschein? Kein Pass?«
»Nicht, dass ich wüsste« antwortete ihm Tequila. »Seit ungefähr zwanzig Jahren hat er nicht mehr hinterm Steuer gesessen und ist nicht mehr ins Ausland gereist.«
»Wie soll ich Ihnen den Zugang gestatten? Sie können keine Signatur vorweisen, die der Unterschriftenkarte entspricht. Er kann sich nicht einmal durch ein Foto ausweisen. Sie können nicht beweisen, dass er derjenige ist, der er behauptet zu sein.«
Tequila seufzte wieder. »Wir haben den Schlüssel und von der Regierung ausgestellte Dokumente. Und die Unterschrift würde auch stimmen, wenn seine Hände nicht so zitterten.«
»Arschlöcher«, beschimpfte ich sie beide.
»Hören Sie«, sagte Tequila. »Seit Jahren war niemand mehr an diesem Schließfach. Ich wusste nicht einmal, dass es überhaupt existiert, bis er vor ein paar Tagen plötzlich damit anfing. Was immer drin sein mag, ist ihm plötzlich sehr wichtig.«
»So sind nun mal unsere Regeln«, sagte der Kassierer. »An die muss ich mich halten, oder ich bekomme ernsthafte Schwierigkeiten.«
»Und das verstehe ich ja auch. Sie sagen, er kann nicht beweisen,wer er ist, und das ist absolut korrekt. Der Mann verliert seine Identität. Er kämpft so verbissen, wie er nur kann, um seine Vergangenheit nicht zu verlieren, um die Erinnerungen nicht verblassen zu lassen. Und deswegen ist er heute hier.« Tränen glitzerten in seinen Augen. Er schniefte und strich sich mit den Fingern über das Gesicht. »Ich bitte Sie nicht, etwas Fragwürdiges zu tun, etwas Anrüchiges oder gar Falsches. Aber ich weiß, Sie bezweifeln eigentlich gar nicht, dass dieser Mann hier Henry Winters ist. Ich wünsche mir von Ihnen nichts anderes, als dass Sie Ihre Regeln dem gesunden Menschenverstand anpassen und ein bisschen Mitgefühl walten lassen.«
Der Kassierer zögerte. »Ich muss die Zustimmung von meinem Filialleiter einholen.«
»Vielen Dank«, sagte Tequila. »Wir wissen das zu schätzen.«
Ich verbrachte die nächsten paar Minuten damit, meinen Enkel laut zu beschimpfen, während der Kassierer sich mit seinem Boss beriet. In dessen Begleitung und mit zwei uniformierten Wachmännern im Schlepptau kam er zurück.
»Meine Herren, ich möchte, dass Sie dieses Gebäude verlassen«, sagte der Filialleiter, er war klein, ungefähr so wie Tequila, käsig und mit einem derartig fliehenden Kinn gestraft, dass sein Kopf fast übergangslos in den Hals mündete.
»Ich bin sicher, wir können das hier in aller Besonnenheit diskutieren«, sagte Tequila.
»Wir haben es bereits diskutiert«, sagte der Kassierer und verschränkte die Arme.
»Wenn wir mit dem von Ihnen vorgebrachten Beweis, Inhaber eines Bankschließfachs zu sein, nicht zufrieden sind, können wir Ihnen den Zutritt zu eben diesem nicht erlauben«, sagte der Filialleiter. »Wir haben bestimmte Verfahren, mithilfe derer wir Kunden schützen, die sich an die Regeln halten.«
Das stimmte natürlich nicht. Die Verfahren schützten die Bank und das Interesse der Bank an dem Inhalt der Schließfächer.
Niemand hat je einen Brief von der Bank bekommen, in dem die Mietschulden für ein Schließfach angemahnt wurden, wenn die Schließfachinhaber verstorben waren, ohne ihren Familienmitgliedern von ihren Fächern Mitteilung gemacht zu haben. Die Banken warten, bis der Besitz legal als aufgegeben erachtet wird und sie das Recht haben, das Schließfach aufzubrechen und eventuelle Wertgegenstände versteigern zu lassen.
»Sie versuchen mich zu bestehlen«, schrie ich ihn an. Und so meinte ich es auch.
»Sie sollten jetzt gehen, es sei denn, Sie ziehen es vor, von den Männern hier begleitet zu werden«, sagte der Filialleiter zu mir.
Ich seufzte traurig. Wir waren gescheitert.
30
Ich dachte an meine .357, die im Handschuhfach draußen im Auto
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