Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman
sind«, sagte ich. »Und ich Sie noch immer nicht ausstehen kann.«
»Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen«, sagte er und zeigte anklagend mit dem Finger auf mich.
Ich kletterte auf den Beifahrersitz und schloss die Tür.
»Schnurstracks auf den Highway«, sagte ich zu meinem Enkel. »Mehr Unheil können wir hier nicht mehr anrichten.«
Jennings stand da, die Hände in die Hüften gestemmt. Als wir davonfuhren, hätte er uns uns am liebsten mit seinen Blicken getötet.
35
»Ich stelle dir die Frage nur einmal«, sagte ich, als wir mit 110 Stundenkilometern südlich über den Interstate 55 fuhren und die Sojabohnenfelder vor unseren Fenstern vorüberzischten und hinter uns verschwanden. »Hast du das Mädchen umgebracht?«
»Nein.«
Das Scheinwerferlicht eines entgegenkommenden Lastwagens beleuchtete das Gesicht meines Enkels. Ich betrachtete es genau. Seine Augen waren immer noch rot und feucht, seine Unterlippe zitterte leicht. Wenn er nicht der abgefeimteste Schauspieler war, den ich je gesehen hatte, konnte er kein Psychokiller sein.
»Ich denke, ich glaube dir«, sagte ich.
»Toll«, sagte er. »Und was ist mit dir? Hast du sie umgebracht?«
»Sei nicht albern«, sagte ich. »Du müsstest doch wissen, dass ich nicht kräftig genug bin, um jemanden zu zerstückeln.«
»Aber wenn du es wärest, hättest du es getan?« Seine Stimme war kaum lauter als ein Flüstern und vom Weinen heiser. Er war schon immer ein zartbesaiteter Junge gewesen.
»Nein. Natürlich nicht«, sagte ich.
Das stimmte. Ich hatte im Krieg vier Menschen getötet und im Polizeidienst zwölf, aber niemals zum Vergnügen. Nun, niemals nur zum Vergnügen. So ein kranker Typ war ich nicht. Ich gebe ja zu, dass ich mir 1946, als ich hinter Heinrich Ziegler her war, ausgemalt habe, mir viel Zeit zu nehmen und ihn mit einer Rasierklinge zu bearbeiten. Aber ich war mir nicht sicher, ob ich Lust darauf gehabt hätte, ihm so nahe zu kommen und mich vollspritzen zu lassen.
Und Frauen habe ich sowieso nie getötet.
»Ich denke, ich glaube dir«, sagte er zu mir. Er ließ es so klingen, dass mir der Sarkasmus trotz seiner Reibeisenstimme nicht entging.
Ich versetzte ihm einen leichten Schlag gegen den Arm, darauf bedacht, mir selbst nicht wehzutun. »Keine Frechheiten, Bengel.«
»Sie hat mir viel bedeutet«, sagte er. Seine Nase lief, und er schmierte sich den Rotz mit einem Hemdsärmel übers Gesicht.
»Wir werden herausfinden, wer es getan hat«, sagte ich.
»Ja?«
Ich nickte. »Das müssen wir tun.«
»Nach dem Mord an Kind hast du gesagt, wir könnten uns um unsere eigenen Sachen kümmern und der Polizei ihre Arbeit überlassen.«
Ich hielt im Rückspiegel Ausschau nach schwarzen Chevrolets. Das hatte ich alle fünf Minuten getan, seit wir aus St. Louis raus waren. Warum, wusste ich auch nicht. Wer vorhatte, uns zu beschatten, brauchte es nicht auf dem Interstate zu tun, sondern konnte uns leicht in Memphis aufspüren.
»Die Dinge stehen jetzt anders. Ein Zeuge hat gesehen, dass du am Abend, bevor sie starb, hinauf in ihr Zimmer gegangen bist, und am nächsten Morgen hat eine Reinigungskraft ihre Leiche gefunden. Wenn eine Frau ermordet wird, buchtet die Polizei gewöhnlich sofort ihren Freund ein.«
»Aber was ist mit den Bildern der Überwachungskamera? Die zeigen doch, dass wir das Hotel verlassen haben, bevor sie umgebracht wurde?«
»Hast du das Videoband?«
»Nein«, sagte er.
»Wer hat das Band?«
»Das Hotel, nehme ich an. Und vielleicht die Polizei von St. Louis?«
Ich nickte. »Wenn du ihr einziger Verdächtiger bist, wird jemand dieses Beweisstück absichtlich an einem falschen Ortdeponieren, und dann werden sie zweckmäßigerweise alle vergessen, dass es überhaupt existiert, und dich werden sie in Stücke reißen. Niemals wird ein Detective der Mordkommission das Risiko eingehen, von der Politik gescholten zu werden, weil er die Massakrierung eines hübschen weißen Mädchens nicht aufgeklärt hat, obwohl der Liebhaber des Opfers kein Alibi hat. Sie werden es dir anhängen.«
Er wandte den Blick kurz von der Straße ab, um mich vorwurfsvoll anzusehen. »Du hast so was auch gemacht? Du hast entlastendes Beweismaterial absichtlich verloren, um einen Fall abzuschließen, den du auf ehrliche Weise nicht lösen konntest?«
»Sieh mich nicht so an«, forderte ich ihn auf. »Ich hab meinen Job so sauber erledigt wie jeder andere auch.«
Er grummelte etwas von »ausweichender Antwort«. Aber ich ignorierte
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