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Der Architekt

Der Architekt

Titel: Der Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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eine junge Frau, helle, glatte Haare, gelbgrüne Jacke, Jeans. Nicht wirklich hübsch, aber … süß, musste er denken. Nett. Sie legte Georg die Arme um den Hals. »Herzlichen Glückwunsch.«
    Georg küsste sie rechts und links auf die Wangen. »Ben – Sibylle, Sibylle – Ben.«
    Ben gab ihr die Hand. Ihm fiel auf, dass sie nicht gleich wieder wegguckte, sondern einen Moment lang zu versuchen schien, sich eine Vorstellung davon zu machen, was für ein Typ er war.
    »Kümmerst du dich kurz um Sibylle, Ben?« Georg strahlte sie beide an. »Ich bin gleich wieder da.« Er drängelte sich durch die umstehenden Gäste.
    »Hast du schon was zu trinken?« Sibylle lächelte Ben an. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er noch nichts bestellt hatte.
    Er stützte sich auf die Theke und beugte sich vor. »Hallo?«
    Einer der beiden Barkeeper schaute herüber.
    »Ich nehme das Gleiche wie du«, hörte Ben Sibylle hinter sich sagen.
    »Zwei Becks.«
    Der Barkeeper nickte.
    »Kennst du Georg schon lange?«, fragte Sibylle, als Ben sich ihr wieder zuwandte.
    »Zehn Jahre so ungefähr.« Ben zuckte die Schulter. »Wir haben uns an der Uni kennengelernt.«
    »Und heute?«
    »Nach Amerika geh ich nicht, wenn du das meinst.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Wahnsinn, oder?«
    »Hmm.« Ben sah auf.
    Der Barkeeper hatte die beiden Flaschen vor ihn auf den Tresen gestellt. »Geht auf Georg«, sagte er und grinste.
    »Ah, okay. Danke.« Ben reichte eine Flasche an Sibylle weiter. »Prost.«
    Es klang hell, als die beiden Flaschen gegeneinanderklickten.
    »Wir haben uns in einem Geschichtsseminar kennengelernt, aber eigentlich wollte ich nie Historiker werden«, sagte Ben, nachdem er einen Schluck genommen hatte und Sibylle noch immer keine Anstalten machte, sich nach den anderen Gästen umzusehen. »Ich habe dann angefangen, fürs Fernsehen zu schreiben. Erst für ’ne Soap, später auch anderes.«
    Ihre Augen blitzten auf. »Drehbücher?«
    »Exakt.«
    Das kannte er schon. Es gab meist eine von zwei möglichen Reaktionen, wenn herauskam, was er machte. Entweder sein Gesprächspartner fand es unsolide, heikel, oberflächlich – oder toll. Sibylle schien es toll zu finden.
    »Wie heißt du?«
    »Ben Lindenberger.«
    Sie dachte einen Moment nach. »Lindenberger … nee, ich glaube, den Namen habe ich noch nicht gehört.«
    »Ich schreibe hauptsächlich Krimis. Auch für Serien.« Er lachte. »Nicht fürs Kino oder so.«
    »Ja? Habe ich vielleicht mal einen Film von dir gesehen? Also einen, den du geschrieben hast?«
    Ben überlegte kurz. Mit den Vorabendsachen wollte er jetzt eigentlich nicht kommen.
Tod auf Raten.
Das war der Titel, den er immer nannte. Ein Fernsehkrimi, der zwar schon vor ein paar Jahren gelaufen war, der ihm von allen seinen Filmen aber immer noch am besten gefiel. So viele waren es nun auch wieder nicht. Zehn vielleicht, oder zwölf. Meistens aber war er von dem fertigen Film dann doch enttäuscht gewesen. Er hatte sich wochen-, manchmal monatelang mit einem Stoff herumgequält, die unterschiedlichsten Variationen geschrieben, sich jede Szene hundertmal vor Augen geführt, sie regelrecht durchgespielt, aus den verschiedenen Perspektiven aller Beteiligten betrachtet, umgeschrieben, neu gefasst, gestrichen, ersetzt, verbessert, poliert. Und wenn er den fertigen Film dann sah, den ein Regisseur aus seinem Drehbuch gemacht hatte, kam es ihm meist so vor, als wäre die Vielschichtigkeit seiner Geschichte, der Charme, das Geheimnisvolle aufgelöst worden in ein paar holprige Bilder, einen geradezu platten Handlungsablauf und in eine Sprache, bei der er sich manchmal geradezu krümmte. Nur bei
Tod auf Raten,
dem ersten Film, den er geschrieben hatte, war es ihm anders gegangen.
    »Tod auf Raten?«
Sibylle sah aus, als wollte sie sich dafür entschuldigen, dass ihr der Titel nichts sagte. »Den kenne ich, glaube ich, jetzt nicht.«
    Ben winkte ab. »Und was machst du?«
    »Medizin.«
    »Wow.«
    »Meine Eltern sind beide Mediziner«, sagte sie und lächelte wieder entschuldigend.
    ›Sie ist wirklich süß.‹
    »Ich bin jetzt im dritten Semester, es ist gut, aber …« Sie beendete den Satz nicht.
    »Aber?«
    »Manchmal denke ich … also deshalb bin ich ja auch hier nach Berlin gekommen. Diese Welt der Ärzte, klar, das ist schon toll. Aber …« Sie sah ihm in die Augen. »Drehbücher, Filme, das sind alles Sachen, die mich auch interessieren. Jemand, der Filme schreibt, so jemanden habe ich bei meinen Eltern nie

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