Der Auftrag des Aeltesten
Schutzmaßnahmen muss man aufpassen, sich nicht von den herumschwirrenden Zaubern den Kopf verdrehen zu lassen. Gib gut Acht, denn während der Feier sind wir Elfen gerne ein bisschen verrückt - zwar auf eine wundervolle, lustige Art, aber nichtsdestotrotz verrückt.«
Das Blutschwur-Fest sollte drei Tage dauern. Am ersten Abend begleiteten Eragon, Saphira und Orik Arya zum Menoa-Baum, wo sich bereits zahllose Elfen eingefunden hatten. Ihre schwarzen und silbernen Haare schimmerten im Licht der magischen Laternen, die von den Ästen hingen. Islanzadi, groß und hell wie eine Birke, stand am Fuße des Stammes auf einer Wurzel, die breit wie ein Pfad und hoch wie ein Podest war. Blagden saß auf der linken Schulter der Königin, während Maud, die Werkatze, hinter ihr stand. Glaedr war da, Oromis in einem rot-schwarzen Gewand und dazu viele weitere Elfen, die Eragon kannte, auch Lifaen und Narí… und zu seinem Missfallen Vanir. Über ihnen funkelten die Sterne am samtenen Abendhimmel.
»Wartet hier«, sagte Arya. Sie schob sich durch die Menge und kehrte wenig später mit Rhunön zurück. Die Schmiedin blinzelte wie eine Eule, als sie ihre Umgebung in Augenschein nahm. Eragon begrüßte sie und sie nickte ihm und Saphira zu. »Hallo, Schattentöter und Schimmerschuppe.« Dann bemerkte sie Orik und redete ihn in der Zwergensprache an, worüber Orik sich offenkundig freute. Endlich hatte er jemandem, mit dem er sich in der grollenden Sprache seiner Ahnen unterhalten konnte.
»Was hat sie gesagt?«, fragte Eragon den Zwerg.
»Sie hat mich zu sich eingeladen und möchte mir ihre Arbeiten zeigen und über die Schmiedekunst reden.« Ehrfurcht lag in Oriks Blick. »Eragon, sie hat ihr Handwerk von Fûthark persönlich gelernt, einem der legendären Führer des Dûrgrimst Ingietum. Was würde ich dafür geben, ihn gekannt zu haben!«
Gemeinsam warteten sie bis Schlag Mitternacht, als Islanzadi den nackten linken Arm hob und wie mit einem Marmorspeer zum Neumond hinaufdeutete. Auf ihrer Handfläche erstrahlte eine helle Lichtkugel. Dann wandte sich die Königin zum mächtigen Stamm des Menoa-Baums um und legte die Lichtkugel in eine Mulde im Holz.
»Ist das Fest damit offiziell eröffnet?«, fragte Eragon Arya.
»Ja.« Sie lachte. »Und es endet erst, wenn die Lichtkugel erlischt.«
Die festlich gekleideten Elfen standen im angrenzenden Wald und auf der Lichtung in lockeren Gruppen beieinander. Scheinbar aus dem Nichts zauberten sie mit fantastischen Speisen beladene Tische herbei; dem überirdisch köstlichen Aussehen der Gerichte nach zu urteilen, mussten sie von magiekundigen Köchen zubereitet worden sein.
Dann sangen die Elfen mit ihren hellen, flötenartigen Stimmen ein Lied und dann noch eins und noch eins, doch jedes war Teil einer übergeordneten Melodie, die einen berauschenden Zauber auf die traumartige Nacht warf, die Sinne schärfte, Hemmungen abbaute und die Gäste mit aufreizender Magie erfüllte. Die Texte handelten von heroischen Taten und abenteuerlichen Entdeckungsreisen in längst vergessene Länder und von der unendlichen Schönheit der Natur. Das Pulsieren der Musik durchdrang Eragons Seele, und er spürte, wie ihn eine wilde Hingabe erfasste: Plötzlich wollte er nur noch sein altes Leben hinter sich lassen und für immer durch den Zauberwald der Elfen tanzen. Neben ihm hatte Saphira die glasigen Augen halb geschlossen und summte das Lied wie in Trance mit.
An das, was danach geschah, sollte Eragon sich niemals wieder so recht erinnern können. Es war wie in einem Fiebertraum. An einiges entsann er sich mit lebendiger Klarheit - an Momente von überschwänglicher Freude -, aber was im Einzelnen geschah und in welcher Reihenfolge, konnte er später nicht mehr rekonstruieren. Er wusste nicht mehr, ob es Tag war oder Nacht oder ob er während der Feier irgendwann müde geworden war oder geschlafen hatte …
Er erinnerte sich daran, ausgelassen getanzt zu haben, an ein wunderschönes Elfenmädchen mit kirschroten Lippen, an Honiggeschmack auf seiner Zunge und an Wacholderduft in der Luft …
Er erinnerte sich an Elfen, die wie Spatzen auf den Ästen des Menoa-Baums saßen. Sie zupften ihre goldenen Harfen und riefen Glaedr Rätsel zu, und dann und wann zeigten sie mit ihren schlanken Fingern zum Himmel, wo plötzlich bunte Farbspiele aufblitzten...
Er erinnerte sich daran, mit Saphira in einer Baumgrotte gesessen zu sein und demselben Elfenmädchen zugehört zu haben, während
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