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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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von Xoconóchco neu anzusiedeln. Die Garnison könnte zur Keimzelle einer Kolonie werden, vielleicht sogar eines kleineren Tenochtítlan, aus dem – wer weiß – eines Tages sogar die zweitgrößte Stadt der Mexíca werden könnte.«
    Er meinte: »Du träumst keinen kleinen Traum, oder?«
    »Vielleicht habe ich mir etwas zuviel herausgenommen, Hoher Gebieter, doch habe ich die Möglichkeit der Kolonisierung in dem Rat der Mame-Ältesten zur Sprache gebracht. Weit davon entfernt, etwas dagegen einzuwenden, haben sie erklärt, sie würden es als eine Ehre betrachten, wenn ihr Land gleichsam der Sitz eines Tenochtítlan des Südens würde.«
    Anerkennend sah er mich an und trommelte eine Weile mit den Fingern, ehe er sagte: »Im zivilen Rang bist du nichts weiter als ein bohnenzählender Kaufmann, und im Heer nur ein Tequiua …«
    »Durch die Gunst meines Hohen Gebieters«, sagte ich bescheiden.
    »Und trotzdem kommst du – ein Niemand – zu uns und bietest uns eine ganze neue Provinz, wertvoller als jede, welche wir seit der Regierung unseres verehrten Vaters Motecuzóma durch Verträge oder durch Gewalt an uns haben binden können. Auch das wird dem Staatsrat zur Kenntnis gebracht werden.«
    Ich erklärte: »Da Ihr den Namen Motecuzóma erwähnt, fällt mir etwas ein.« Woraufhin ich ihm berichtete, was nicht so leicht zu berichten war: die bitteren Worte, welche der Bishósu Kosi Yuela über seinen Neffen gesprochen hatte. Wie ich erwartet hatte, fingen Ahuítzotl die Augen an aus dem Kopf zu treten, schnaubte er und lief verdächtig rot an, doch richtete sein Zorn sich nicht gegen mich. Unverblümt erklärte er:
    »So wisse denn: Als Priester hat Motecuzóma sich unerschütterlich auch noch an die kleinsten, dümmlichsten und albernsten abergläubischen Vorschriften gehalten, welche die Götter erlassen haben. Außerdem hat er versucht, jedes menschliche Versagen und jede Schwäche bei sich selbst und bei anderen auszumerzen. Er hat nicht geschäumt und gewütet, wie so viele unserer Priester; vielmehr ist er immer kalt geblieben und hat sich nicht von Gefühlen hinreißen lassen. Einst, da er ein Wort sprach, von dem er meinte, daß es den Göttern nicht wohlgefällig sein könne, hat er sich die Zunge durchbohrt und eine Schnur darin hin und hergezogen, in welche er einige zwanzig große Agavendornen verknotet hatte. Und bei einer anderen Gelegenheit, als ihm ein niedriger Gedanke durch den Sinn ging, hat er ein Loch durch den Schaft seines Tepúli gebohrt und sich mit einer dornenbewehrten Schnur der gleichen blutigen Selbstkasteiung unterzogen. Nun, wo er ein Kriegsmann geworden ist, scheint er der Sache des Kriegführens nicht minder verbissen ergeben. Es scheint, als ob der junge Kojote bei seinem allerersten Kommando seine Muskeln hat spielen lassen – entgegen unseren Befehlen, guten, wohlüberlegten Befehlen …«
    Ahuítzotl hielt inne. Als er wieder fortfuhr, schien es abermals, als denke er laut. »Gewiß, selbstverständlich verlangt es ihn, dem Namen seines Großvaters, Zorniger Herr, alle Ehre zu machen. Der junge Motecuzóma ist nicht erfreut darüber, daß Frieden zwischen uns und anderen Völkern herrscht, weil ihm dadurch weniger Gegner bleiben, sie herauszufordern. Er möchte geachtet und gefürchtet werden, möchte als Mann der harten Faust und lauten Stimme gelten. Doch ein Mann muß mehr sein als nur das. Oder er duckt sich, wenn er einer noch härteren Faust einer lauteren Stimme begegnet.«
    Ich faßte mir ein Herz zu sagen: »Hoher Gebieter, ich habe den Eindruck gewonnen, daß der Bishósu von Uaxyácac die Möglichkeit fürchtet, Euer wilder Neffe könnte dermaleinst Uey-Tlatoáni der Mexíca werden.«
    Woraufhin Ahuítzotl seine funkelnden Augen auf mich richtete. »Kosi Yuela wird längst tot sein, ehe er sich Sorgen zu machen braucht, wie sein Verhältnis zu irgendeinem neuen Uey-Tlatoáni aussieht. Wir sind erst dreiundvierzig Jahre alt, und wir haben vor, noch lange zu leben. Ehe wir sterben oder zu einem schwachsinnigen Greis werden, werden wir unseren Staatsrat wissen lassen, wer unser Nachfolger werden soll. Aus dem Stegreif könnten wir nicht sagen, wie viele von unseren zwanzig Kindern männlichen Geschlechts sind, doch zweifellos findet sich ein zweiter Ahuítzotl unter ihnen. Vergiß nie, Tequiua Mixtli, daß die lauteste Trommel auch die hohlste ist und daß sie einzig und allein dazu da ist, zu schweigen oder geschlagen zu werden. Wir werden keine hohle Trommel wie

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